Dramatische Familiengeschichte

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marionhh Avatar

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Irland, 1840: Zur Hochzeit schenkt Lord Edward seiner Frau Anna ein Herrenhaus auf dem Land. Anna ist zunächst glücklich. Nach und nach tauchen Probleme auf, Edward hat Schulden, in Irland herrscht aufgrund schlechter Ernten Hungersnot, es stellt sich kein Erbe ein, und Anna kommt mit Edwards Cousin Sinclair nicht zurecht. Als dieser heiratet und seine Frau Diana einen Sohn zur Welt bringt, greift Anna zu einem drastischen Mittel: Sie bekommt ein Kind von einem anderen. Ihr Sohn wächst als Lord Edwards Sohn auf, mit dessen Billigung.

Gut siebzig Jahre später, kurz vor dem Ersten Weltkrieg, verliebt sich die kapriziöse Londoner Schönheit Clara in Edwards Nachfahren Lord Pierce. Sie ist glücklich, als er sie tatsächlich heiratet, und freut sich auf das Leben mit ihm auf dem irischen Landsitz. Dort führt Pierce´ Schwester Prudence ein strenges Regiment. Prudence missbilligt die Heirat, ist doch Clara keine reiche Erbin und kann die horrenden Schulden, die auf dem Haus und den Ländereien liegen, nicht tilgen. Als Pierce in den Krieg zieht, kommt Clara dessen Cousin Johnny Seymour näher, dessen Künstlerfreunde sie faszinieren und dessen politische Ansichten sie teilt. Als Pierce hochdekoriert zurückkommt und Clara erkennt, dass er sie nie geliebt hat, hält es Clara nicht mehr mit dem kaltherzigen Pierce aus. Als sie ihn verlassen will, lässt er Johnny verhaften und sperrt sie wie eine Gefangene in ihr eigenes Haus. Als die Unruhen unter der armen irischen Bevölkerung immer heftiger werden und schließlich ein Krieg gegen die britische Regierung und den Adel ausbricht, flüchten Pierce und Prudence, Clara jedoch bleibt im Haus, um auf Johnny zu warten.

Im Jahr 2007 ist vom ehemaligen Glanz und von den Ländereien nicht mehr viel übrig, und der Nachkomme der Armstrongs, Nico Collins, sieht sich nach seiner Scheidung gezwungen, das stark heruntergekommene und sanierungsbedürftige Herrenhaus zu versteigern. Den Zuschlag erhalten die Fallons, ein reiches Unternehmerehepaar. Kate Fallon engagiert Nico als Architekten für die Renovierung und entdeckt alte Briefe von Clara. Fasziniert sowohl von Nico als auch von dessen Vorfahren, beginnt sie, Nachforschungen über die Geschichte der Armstrongs anzustellen. Die Finanzkrise macht jedoch auch nicht vor Tony Fallon Halt, und es kommt zu einem tragischen Unglück.

Der Roman erzählt sehr blumig die Familiengeschichte der Armstrongs ab dem Bau des Herrenhauses 1840. Der Schreibstil ist nicht besonders anspruchsvoll, durch die flüssige Erzählweise liest sich die Geschichte jedoch sehr gut herunter und vermag durchaus zu fesseln. Unterteilt ist der Roman in drei Bücher, die jeweils eine bestimmte Zeitspanne aus dem Leben Annas und Edwards, eine aus Claras und Pierce´ Leben sowie die Zeit ab dem Verkauf des Hauses im Jahr 2007 abdecken und die die Ereignisse chronologisch erzählen. Die Generationen werden jedoch nicht nahtlos miteinander verknüpft, jedes Buch ist eine Geschichte für sich, und die Generationen davor oder dazwischen werden wenn dann nur ganz am Rande erwähnt. Damit umfasst er in Summe beinahe zwei Jahrhunderte. Außerdem ist dem Ganzen ein Prolog vorangestellt, der die Scheidung von Nico behandelt. Hieraus wird deutlich, wieviel Nico an dem alten Haus liegt. Er hat eine große emotionale Bindung daran und will es eigentlich lieber an seine Tochter vererben, damit es in Familienbesitz bleibt, und wird nur durch desolate finanzielle Situation zum Verkauf gezwungen.

Die Charaktere sind zwar nicht gerade vielschichtig, aber auch nicht einseitig. Aus verschiedenen Perspektiven berichtet der allwissende Erzähler über das Geschehen, und so dringt der Leser in die Gefühlswelten aller Charaktere ein und kann einiges erkennen, was den Protagonisten verborgen bleibt, und weiß die Dinge natürlich viel früher. Dass Pierce zum Beispiel Clara nicht aus Liebe heiratet, erschließt sich dem Leser sofort. Die Geschichte lebt von der Emotionalität und den Entscheidungen, die die Protagonisten treffen. Sie konzentriert sich sehr auf die Frauen wie Anna, Clara oder Kate, und das Haus ist auch wirklich das Haus der Frauen. Auch wenn man einige Entscheidungen, besonders von Anna, nicht unbedingt nachvollziehen kann, sind sie doch sympathisch und man fiebert mit ihnen mit. Mitunter scheinen Anna und Clara recht naiv, dann wieder unglaublich abgebrüht, und teilweise passen ihre Handlungen nicht zu ihren vorangegangenen Verhaltensweisen. Andererseits sind sie leidenschaftlich und brechen Konventionen. Clara ist alles andere als die oberflächliche Ballkönigin, und Anna erweist sich einerseits als skrupellos, andererseits als innerlich zerrissen. Der Gegensatz zwischen den Konvention ihrer Zeit, dem absoluten Druck, einen Erben gebären zu müssen, und ihren unkonventionellen Methoden sowie ihre Zerrissenheit zwischen ihrer Liebe zu Edward und zu Sean machen sie interessant. Aber auch Edward vermochte mich durchaus zu überraschen.

Generell führt der Klappentext den Leser meines Erachtens auf eine etwas falsche Fährte: Weder zerbricht die Ehe von Anna und Edward, noch verlässt Clara das Haus als gebrochene Frau, zumindest nach meiner Meinung nach nicht. Dass sie eine starke Frau war und nicht zerbrochen ist, geht aus dem Epilog hervor, was zu einem sehr befriedigenden Schluss führt. Meiner Ansicht nach hätte man aber aus Claras und Pierce´ Part noch mehr herausholen können, da bricht Buch 2 für meinen Geschmack zu abrupt ab. Überhaupt kommt es einige Male zu sehr plötzlichen Brüchen. Man ist gerade schön im Lesefluss, als plötzlich im nächsten Abschnitt schon wieder einige Zeit vergangen ist. Da hätte ich mir ein paar Mal mehr Informationen gewünscht. Im Großen und Ganzen sind die recht dramatischen Wendungen, zu denen es häufig kommt, aber gut für die Geschichte, da sie die Spannung erhalten und sie lebendig machen. Und der Epilog entschädigt dann doch sehr für den plötzlichen Abbruch von Claras und Pierce´ Geschichte. Die politischen Hintergründe, z.B. die Gründe für den irischen Unabhängigkeitskrieg, werden nur nebensächlich erwähnt, um bestimmte Entscheidungen plausibel zu machen.

Fazit: Keine richtige Familienchronik, aber ein schön zu lesendes und unterhaltsames Buch, das solides Lesevergnügen bietet. Für alle geeignet, die Stories wie die von Linda Belago, Elizabeth Gifford, Liz Balfour oder Steffanie Burow lieben und nicht zu viel an Vielschichtigkeit der Charaktere und Komplexität der Sprache erwarten.