Affären und Geschichten

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emma winter Avatar

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"Fakten und Fiktion sind in meinem Werk so eng miteinander verwoben, dass ich heute im Rückblick, das eine kaum vom anderen zu unterscheiden vermag", heißt es im Epigraph, zitiert aus Somerset Maughams "Die halbe Wahrheit".
Nichts könnte besser passen für diesen Roman, in dem eben dieser Autor selbst als Figur auftritt und wir Zeugen werden, wie er an Material für seine Geschichten kommt.
Auf drei Zeitebenen erstreckt sich die Geschichte um Lesley Hamlyn, die uns aus ihrer Gegenwart (1947 in Südafrika) in Prolog und Epilog entgegentritt und die als Rahmen für die Binnengeschichte dient. Diese spielt lediglich innerhalb von zwei Wochen in Penang (Malaysia), damals - wir schreiben das Jahr 1921 - britische Kronkolonie. Es ist die Zeit, in welcher der Autor Maugham seinen alter Freund, den Rechtsanwalts Robert Hamlyn und dessen Frau Lesley besucht. Innerhalb dieser kurzen Zeitspanne springen wir immer wieder in das Jahr 1910 zurück. Diese Ereignisse werden ausschließlich von Lesley für Maugham erzählt, während die Begebenheiten der zwei Wochen in 1921 abwechseln vom berühmten Autor und Lesley geschildert werden. Nur Lesleys Kapitel sind aus der Ich-Perspektive erzählt, sie ist die Hauptperson des Romans.
Das klingt zunächst recht unübersichtlich, hat aber einen klaren und auch kunstvollen Aufbau.
Tan Twan Eng entführt uns in das privilegierte Leben einer britischen Kolonie, in der gute Beziehungen und ein guter Ruf für die Weißen alles sind. Die Xinhai-Revolution, die in China die Mandschu-Dynastie beendete und 1912 zur Gründung der ersten chinesischen Republik führte, ist ein größerer thematischer Komplex. Dennoch würde ich den Roman eher als eine Liebesgeschichte und ein Gesellschaftsporträt bezeichnen.

Der Einstieg ist mir schwer gefallen. Das Buch hat erst ab ca. der Hälfte wirklich mein Interesse geweckt und Fahrt aufgenommen. Die Figuren habe ich bis zum Ende nur mit einer gewissen Distanz betrachten können, trotz Lesley als Ich-Erzählerin. Auch hat mich die zentrale Liebesgeschichte nicht wirklich gepackt, vielmehr fand ich den Roman als Ganzes letztlich interessant. Die Kombination aus Fiktion und Fakten, die historischen und gesellschaftspolitischen Elemente und die Schilderung von Land und Leuten.
Die Auflösung des ungewöhnlichen Buchtitels ist ebenfalls unerwartet und überraschend.
Ein Buch, der leisen Töne, das sicherlich für alle Fans von Maugham ein Muss ist. In jedem Fall werde ich einige seiner Erzählungen lesen, auf die ich nach dieser Lektüre ganz gespannt bin.