Ein Haus voller Geheimnisse - ein Roman voller Größe

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aischa Avatar

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Was für ein Buch! Das Haus der Türen ist eine jener seltenen Entdeckungen, bei denen man schon nach den ersten Seiten spürt: Hier entfaltet sich etwas Großes, Feinsinniges, Bleibendes. Tan Twan Eng hat einen Roman geschrieben, der auf eindringliche und zugleich elegante Weise unter die Haut geht – und lange dort bleibt.
Die Geschichte spielt größtenteils im kolonialen Penang des Jahres 1921, einer faszinierend ambivalenten Welt, in der gesellschaftliche Konventionen, Rassenschranken und Machtverhältnisse unter der tropischen Sonne brodeln. In diesem atmosphärisch dichten Setting verwebt Eng historische Realität und Fiktion zu einem ebenso klugen wie emotional bewegenden Text. Im Zentrum steht der Besuch des englischen Schriftstellers William Somerset Maugham – begleitet von seinem (damals geheim gehaltenen) Liebhaber – bei einem britischen Ehepaar. Doch was zunächst wie ein kultivierter Rückzugsort wirkt, entpuppt sich schnell als Bühne für unterdrückte Wünsche, verschüttete Wahrheiten und gesellschaftliche Zwänge.
Der Roman basiert auf einem wahren Kriminalfall, der Maugham zu seiner berühmten Erzählung "Der Brief" inspirierte. Doch Tan Twan Eng belässt es nicht bei einer literarischen Hommage: Er gräbt tiefer, legt die psychologischen Risse in den scheinbar makellosen Fassaden seiner Figuren offen und verwebt persönliche mit politischen Befreiungskämpfen – von der Unabhängigkeit asiatischer Kulturen bis zum Ringen einzelner Frauen um ihre Stimme.
Was "Das Haus der Türen" so besonders macht, ist nicht nur die Komplexität seiner Themen, sondern auch Engs meisterhafte Sprache. Die Geschichte ist durchzogen von poetischen, bildstarken Formulierungen, wie diesem herrlichen Satz: „Am Ende der Bucht simmerte ein kaum zwei Schritt breiter Bach in seinem flachen Sandbett und sog das Regenwasser aus den Bergen, um den unstillbaren Durst des Meeres zu stillen.“ Man möchte innehalten, zurückblättern, noch einmal lesen – und gleichzeitig unbedingt weiter.
Dass Tan Twan Eng eigentlich Jurist ist, lässt einen staunen: Wie er zum Schreiben kam, weiß ich nicht – aber es ist ein Glücksfall, dass er diesen Weg gegangen ist. Das Haus der Türen ist ein Roman von großer stilistischer Eleganz und emotionaler Tiefe. Vielschichtig, berührend, literarisch herausragend.
Für mich ganz klar eines der Lesehighlights des Jahres. Absolute Empfehlung!