Hinter den Türen
Der malaysische Autor Tan Twan Eng, dessen drei Romane allesamt für den Booker Prize nominiert waren, hat mich schon mit seinem zweiten Roman „ Der Garten der Abendnebel“ überzeugt.
Und William Somerset Maughams Erzählungen und Romane habe ich vor vielen Jahren verschlungen. Zwei Gründe, die mich zu diesem Buch greifen ließen.
Der britische Schriftsteller William Somerset Maugham zählt mit seinen Theaterstücken, Erzählungen und Romanen zu den berühmtesten und erfolgreichsten Schriftsteller seiner Zeit. In diesem Roman wird er nun selbst zum Protagonisten.
Als er im Jahr 1921 mit seinem Sekretär und Geliebten Gerald Haxton auf der malaiischen Insel Penang ankommt, befindet er sich in einer tiefen Krise. Eine Fehlinvestition hat ihn sein ganzes Vermögen gekostet und seine Frau in London droht mit Scheidung. Diese Probleme wirken sich auf seine Kreativität aus. Er hofft auf ein paar entspannte Tage im Hause seiner Gastgeber, den Hamlyns. Robert ist ein alter Freund aus Londoner Tagen, der hier als Anwalt arbeitet und mit der wesentlich jüngeren Lesley verheiratet ist. Die ist anfangs wenig angetan von dem homosexuellen Paar, bedauert Maughams Ehefrau, die sie in einer Scheinehe gefangen wähnt. Und der Schriftsteller sieht in ihr nur eine „ von vielen unglücklich verheirateten Frauen in den Tropen“, die unzufrieden ist von ihrem oberflächlichen und gelangweilten Alltag. Doch langsam vergessen beide ihre Vorurteile und Lesley findet in Willie, wie ihn seine Freunde nennen, einen aufmerksamen Zuhörer. Wohl mit dem Hintergedanken, Stoff für sein Schreiben zu finden. Viele Abende sitzen sie gemeinsam auf der Terrasse und Lesley geht in ihren Erzählungen zurück in das für sie bedeutsame Jahr 1910, in jenes Jahr, als Dr. Sun Yat-Sen in Penang für seine politische Bewegung Geld und Unterstützer sucht und ihre Freundin Ethel Proudlock wegen Mordes vor Gericht steht.
Lesley ist nicht nur fasziniert von dem chinesischen Revolutionär, der den Kaiser stürzen und aus China eine Republik machen will. Sie arbeitet mit in dieser Bewegung, ungewöhnlich für eine weiße Frau aus ihrer Klasse. Dabei lernt sie einen Mitstreiter Sun Yat-Sens kennen und lieben. Beide treffen sich heimlich in jenem titelgebenden „ Haus der Türen“, hier fühlt sie sich lebendig und begehrenswert, anders als in ihrer unglücklichen Ehe.
Zur gleichen Zeit verfolgt sie den Prozess gegen ihre Freundin, der vorgeworfen wird, einen zudringlichen Vergewaltiger erschossen zu haben.
Dieser Mordfall ist historisch verbürgt und Maugham wird ihn in seiner Erzählung „ Der Brief“ literarisch verewigen.
Tan Twan Eng greift also in seinem Roman auf historische Figuren und Fakten zurück und verknüpft diese gekonnt mit einer fiktiven Geschichte. Dabei wechseln die Erzählstimmen, einmal ist es Lesley, die zu Wort kommt, dann wieder„ Willie“.
Zu den beiden Zeitebenen kommt mit der Rahmenhandlung, die im Jahr 1947 angesiedelt ist, eine dritte hinzu. Dass der Leser dabei trotzdem nicht den Überblick verliert, ist der Erzählkunst des Autors zu verdanken. Souverän verknüpft er die verschiedenen Zeit - und Handlungsebenen.
Es sind im Grunde drei Geschichten, die er uns hier erzählt. Zum einen die des Schriftstellers in einer Schaffenskrise, dann die Lebens- und Liebesgeschichte einer Frau und dazu ein packendes Gerichtsdrama. Das alles vor dem gesellschaftlichen und politischen Hintergrund Malaysias.
Bildgewaltig und ungeheuer lebendig erzählt der Autor von der kolonialen Vergangenheit seiner Heimat, von den Spannungen zwischen den Kulturen. Hier die weiße Oberschicht mit ihrem gesellschaftlichen Leben, mit ihren Regeln und Gesetzen, ihren Privilegien und ihrer Doppelmoral. Daneben die einheimische Bevölkerung, die sich wiederum aus verschiedenen Ethnien und Klassen zusammensetzt. Landschaft und Vegetation werden in stimmungsvollen Bildern heraufbeschworen .
Der Erzählton ist ruhig und melancholisch, das Tempo langsam. Es geht dem Autor weniger um Effekte, als um die subtile Beschreibung von Menschen und ihren Motiven. Jeder hat hier seine Geheimnisse, die es zu verbergen gilt. Spannung kommt erst im letzten Drittel auf, was ich aber keineswegs als Manko empfunden habe. Dafür ist die Sprache zu schön und die Geschichten und das Setting zu faszinierend. William Somerset Maugham hätte seine Freude an dem Roman gehabt.
Ich empfehle nach der Lektüre zu Maughams Erzählung „ Der Brief“ zu greifen.