Locker geschriebene, dennoch thamatisch tiefgründige Erzählung

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REZENSION – Was ist eigentlich Glück? Diese Frage hat schon Philosophen und wohl jeden von uns irgendwann beschäftigt. Vor fünf Jahren hatte der irische Schriftsteller Niall Williams (66) in seinem Roman „This is Happiness“ versucht, eine Antwort zu finden. Im März erschien nun im Ullstein Verlag sein damals für den britischen Walter Scott Prize nominierter und auf der Shortlist des Irish Book Awards gelisteter Roman endlich auch in deutscher Übersetzung: „Das ist Glück“ ist dank ihres lockeren und bildreichen Plaudertons eine leicht lesbare, dennoch thematisch tiefgründige Erzählung, die zu weiterem Nachdenken anregt.
Durch sein langes Leben erfahren und abgeklärt, erzählt uns der irische Senior Noel eine Episode aus seiner Jugend, in der er als Heranwachsender lernte, was Glück bedeuten kann und dass wahres Lebensglück für jeden etwas anderes ist: Der 17-jährige Seminarist hat seine Ausbildung zum Priester in der Großstadt Dublin abgebrochen und zieht unglücklich und voller Selbstzweifel in der Karwoche des Jahres 1958 für einen Sommer zu seinen in recht ärmlichen Verhältnissen lebenden Großeltern ins ständig verregnete Dorf Faha im County Kerry am südwestlichen Rand Irlands. Wie ein himmlisches Zeichen hört es ausgerechnet jetzt auf zu regnen. Eine neue Zeit bricht für die Dörfler an: Ihr Dorf soll als letzte Siedlung an das Stromnetz angeschlossen werden. Dadurch, so verspricht man ihnen, soll die moderne Zeit und damit der Wohlstand ins Dorf kommen. Hierfür wirbt Christy, ein weitgereister Mann, der im Auftrag der Regierung durch das Land zieht und nun für eine Zeitspanne als Untermieter bei Noels Großeltern unterkommt. Er wird für den 17-jährigen Noel zum väterlichen Mentor für den Einstieg ins Leben der Erwachsenen.
Am Beispiel seiner unterschiedlichen Protagonisten zeigt uns Niall Williams, wie vielfältig Glück sein und verstanden werden kann. Der junge Noel ist momentan in einer Lebenskrise und auf der Suche nach persönlichem Glück, ohne überhaupt zu wissen, wonach er suchen muss und was Glück eigentlich bedeutet. Sein väterlicher Freund Christy hofft wieder glücklich zu werden, indem er sich bei jenen Weggefährten entschuldigt, die er vor langer Zeit unglücklich gemacht hat. Deshalb hat er auch diesen Regierungsauftrag übernommen. Denn in Faha wohnt jetzt seine einstige Braut, die er vor Jahrzehnten aus Angst vor der Verantwortung vor dem Hochzeitsaltar stehen ließ. Wiederum andere – wie Noels Großeltern und viele Dörfler – scheinen ihre Suche nach Glück abgeschlossen zu haben. Sie sind schon mit ihrem bescheidenen Leben im Dorf ohne Strom und ihrem Leben inmitten der dörflichen Gemeinschaft zufrieden. Sie misstrauen deshalb den vermeintlichen Verlockungen der Moderne, die nur Unruhe ins Dorf und ihre Gemeinschaft bringt.
Williams beschreibt die kleine zurückgebliebene Ortschaft Faha „am Ende der Welt“, ihre Einwohner und deren bescheidenes Alltagsleben in den 1950er Jahren so bildreich und plastisch, dass einem alles schnell vertraut ist. „Zu den Vorteilen, als vergessenes Anderswo zu gelten, zählt der Umstand, dass alles von der Pike auf erfunden und jedes Bedürfnis vor Ort befriedigt werden muss. Das war in Faha nicht anders. Es gab dort alles. Man musste nur wissen, wo man suchen musste.“ ... „Es wäre kein großes Wagnis gewesen, vor dem Eingang zum Dorf einen Torbogen zu errichten mit der unwiderlegbaren Aufschrift: Hier passiert nichts.“ Die Zukunft der Moderne blieb für das kleine irische Dorf ungewiss, heißt es im Roman, „und die Menschen fanden Trost in ihrer Rückständigkeit.“ Doch waren sie nun unglücklich oder hatten sie ihr kleines, wenn auch bescheidenes Glück gefunden?
Der Autor gibt uns mit seiner Geschichte zu bedenken, dass sich Glück meist in den kleinen, unscheinbaren Begebenheiten des Alltags zeigt, „dass man zwar nicht in jedem, aber doch in den allermeisten Momenten im Leben, ganz gleich, wie es mit Herz und Hirn gerade aussah, einen Wimpernschlag lang innehalten und sich sagen konnte: Das ist Glück, einfach aufgrund der schlichten Wahrheit, dass man am Leben war und fähig, es zu sagen.“ Der Roman verschafft uns beim Lesen auch Gelegenheit, eine Zeit lang innezuhalten und über das wahre Glück in unserem eigenen Leben nachzudenken. Denn „die Qualität, die jedes Buch … lohnend macht, ist nichts anderes als das Leben. … die Besten unter ihnen fangen ein Echo davon ein, regen uns an, uns umzudrehen und aus dem Fenster zu schauen, aus der Tür zu gehen in dem Wissen, dass wir bereichert wurden, ...“