Berührende Geschichte über Pearl, die versucht ihre Trauer zu verarbeiten

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adel69 Avatar

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Manchmal gibt es Bücher, die man unbedingt lesen will, aber ewig vor sich herschiebt, weil andere Bücher und Ereignisse dazwischenkommen.
So hatte mich die Leseprobe zu dem Buch „Das Jahr, nachdem die Welt stehen blieb“ fasziniert – es dauerte allerdings einige Jahre, bis ich mir das ganze Buch vornahm.

Hat es sich gelohnt? Lest selbst.


Die Handlung:
Pearl ist die Ich-Erzählerin und 15 Jahre alt. Ihre Welt ist in Ordnung, sie hat eine Mutter, die sie liebt. Ihr Vater ist nicht ihr leiblicher Vater, aber er liebt sie, als wäre sie sein eigenes Kind. Pearls Noten sind gut, und ihrer Freundin Molly vertraut sie vieles an.

Pearls heile Welt ändert sich auf einen Schlag, als ihre Mutter stirbt. Die Mutter war schwanger, erlitt aber eine Präklampsie, die sie nicht überlebte. Das Baby – ein Mädchen – musste zu früh geboren werden und kämpft um das Leben in einem Brutkasten.

Das Baby, namens Rose, überlebt und kann nach Hause. Pearl kann aber ihre kleine Schwester nicht lieben, sie bezeichnet sie als „Ratte“ und gibt ihr die Schuld am Tod der Mutter. Auch gegen ihren Vater hat sie auf einmal eine Abneigung, ihre Freundschaft mit Molly leidet – und ihre ganze Umgebung.

So ist sie lange unfähig, neue Freundschaften zu schließen – beispielsweise mit Finn, einem Nachbarjungen, der Cello spielt und sie mag. Auch schwänzt sie die Schule und versucht, nach ihrem leiblichen Vater zu suchen.

Der einzige Lichtblick ist ihre Mutter, die immer wieder erscheint und zu erklären versucht, warum die Dinge sich so entwickelt haben, wie sie sich entwickelten.
Pearl muss lernen, ihre Trauer zu verarbeiten und das Leben zu akzeptieren, wie es jetzt ist. Das ist nicht einfach.

Meine Meinung:
Es handelt sich hier um ein Buch für Mädchen ab 10 Jahren – so würde ich auf jeden Fall die Zielgruppe definieren.

Pearl ist sympathisch – auch wenn sie durch ihr Verhalten oft versucht, unsympathisch rüberzukommen. Was für mich beim Lesen fast schon unerträglich war, war, dass sie ihre kleine Schwester sehr oft als „Ratte“ bezeichnet. Andererseits ist sie der Meinung, gerade diese kleine Schwester sei schuld am Tod der Mutter – und sie kann ihr das nicht verzeihen. Nicht nur das: Pearl hasst ihre kleine Schwester.

Die Mutter erscheint immer wieder in Pearls Leben. Man hat den Eindruck, die Mutter sei körperlich anwesend und nicht nur ein unsichtbarer Geist oder jemand, der in Pearls Gedanken zu ihr spricht. Die Mutter raucht und reicht Pearl ein Handtuch, als sie eines benötigt, weil sie sich duscht. Das halte ich zwar für unrealistisch –die körperliche Anwesenheit der Mutter ist aber vielleicht auch gut für jugendliche Leser, um sie nicht zu verstören. Weiterhin kann man durch die Gespräche, die Pearl mit ihrer Mutter führt, die Mutter besser kennen lernen.

Ich hatte mir – ehrlich gesagt – bei dem Buch etwas anderes erwartet. Dass man beispielsweise mehr auf die Präklampsie, die während der Schwangerschaft der Mutter auftrat und zu ihrem Tod führte, eingeht. Denn auch ich hatte schon Präklampsie. Andererseits ist das ein Buch vorwiegend für Jugendliche, und da sind Themen wie „Präklampsie“ zu kompliziert. Es geht in der Hauptsache um Pearl und die Beziehungen in ihrem Leben. Die Leute, mit denen sie Beziehungen pflegt, sind Nebencharaktere, beispielsweise das Baby Rose, der Nachbarsjugendliche Finn und Granny, die Mutter von Pearls Dad.

Das Buch lässt sich zügig lesen. Es gibt zwölf Kapitel, jedes Kapitel repräsentiert einen Monat. Die Handlung wird aus der Ich-Perspektive von Pearl im Präsens (der Gegenwart) erzählt. Den Erzählton finde ich in Ordnung, er trifft die Verzweiflung von Pearl. Der Ton ist zwar immer wieder aufmüpfig, aber nicht so nervend, dass ich jetzt die Lektüre abbrechen müsste.

Mein Fazit:
„Das Jahr, nachdem die Welt stehen blieb“ von Clare Furniss ist ein gutes Jugendbuch, das aufzeigt, wie eine 15-Jährige versucht, die Trauer um ihre Mutter zu überwinden. Manche Dinge haben mich gestört – aber den Schluss fand ich richtig gut.

Ich vergebe vier Sterne und eine Leseempfehlung.