Trauer, Neid und Herkunft

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Clare Furniss kann auf Erfahrungen als Kellnerin, Verkäuferin und einen Job in der Shakespeare Centre Library in Stratford-upon-Aven zurückblicken. Doch das Schreiben war schon immer ihre Leidenschaft. Es aber zum Beruf zu machen, kam ihr erst spät in den Sinn. „Das Jahr nachdem die Welt stehen blieb“ war ihre Masterarbeit:

Pearl ist 15 Jahre und im Grunde – soweit das für einen Teenager möglich ist – zufrieden mit ihrem Leben. Doch ihre Welt gerät aus den Fugen, als ihre Mutter plötzlich und unerwartet stirbt. Es gibt nichts, was dieses Ereignis ankündigt. Keine Vorahnung oder dergleichen. Nur 15 verpasste Anrufe ihres Stiefvaters.
Plötzlich ist sie alleine ihrem Stiefvater Alex und natürlich ihrem Schwesterchen Rose, in einem renovierungsbedürftigen Haus, für dessen Kauf sich ihre Mum eingesetzt hat. Pearl hasst „die Ratte“, wie sie das Baby insgeheim bezeichnet; es stimmt so gar nicht mit dem perfekten kleinen Wesen mit blonden Locken und Grübchen ihrer Fantasie überein. Außerdem hat das Kind die Geburt überlebt. Ihr Stiefvater ist vernarrt in seine Tochter und ist täglich bei ihr im Krankenhaus, obwohl er, wie Pearl findet, sich auf den Tod seiner Ehefrau – ihrer Mutter – konzentrieren sollte.
War sie sich vor dem Tod ihrer Mutter ihrer Position noch sicher, so kommen jetzt Zweifel auf. Denn obwohl biologische Abstammung bisher nie ein Thema war, fühlt Pearl sich in ihrer Rolle als Tochter bedroht. Sie ist der Meinung, ihr Dad bevorzugt Rose; der einfache Grund: es ist seine leibliche Tochter. Plötzlich interessiert sie sich für ihren Vater, dessen Namen ihr zwar bekannt ist, von dem sie aber davon abgesehen nichts weiß. Warum auch, sie hat(te) schließlich einen Dad.
Und dann ist ihre beste Freundin Molly auch noch mit einem Jungen zusammen, den Pearl nicht ausstehen kann. Andererseits: Welcher Mann ist schon gut genug für die beste Freundin.
Pearl reagiert auf diese Ereignisse mit Selbstmitleid. Die Menschen, die sie lieben und ihre über ihre Trauer helfen wollen, stößt sie vor den Kopf, sucht nach Ausflüchten, um sie entweder gar nicht zu treffen oder die Zeitspanne möglichst kurz zu halten. Sie ist regelrecht unverschämt... und das weiß sie auch. Aber wie soll man auf diese Umstände auch regieren. Wer trägt die Schuld daran, dass Pearl ihre Mutter verloren hat. Ist es Rose, ihr Dad oder gar ihre Mum, die einen Untersuchungstermin bei der Hebamme nich wahrgenommen hat.
Doch Schritt für Schritt kehrt sie ins Leben zurück und schafft es sogar, „der Ratte“ eine Chance zu geben.

Mit klarer Sprache erzählt Furniss von Trauer, ihrer Bewältigung und dem langen Weg zurück ins Leben. Die Gedanken der Protagonistin werden unverblümt wiedergegeben. Ein gelungenes Erstlingswerk der Autorin, das ihr zurecht einen Abschluss für Kreatives Schreiben der Universität in Bath eingebracht hat. Und auch wenn es als Kinderbuch ausgewiesen wird, ist es auch für Erwachsene lesenswert.