Bedrückend und traurig

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magdas_buecherwelt Avatar

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Das Cover gefällt mir sehr gut, es passt hervorragend zum Inhalt. Der Titel erschließt sich mir nicht, er ist aber eindringlich und bleibt im Gedächtnis.
Die Ich-Erzählerin berichtet von ihrer Kindheit und Jugend in Ost und West. Als sie drei Jahre alt ist, kommen ihre Eltern bei dem Versuch, aus der DDR zu fliehen, ins Gefängnis. Nach ein paar Tagen im Kinderheim lebt sie bei ihrer Großmutter in Leipzig. Die Eltern werden von der BRD freigekauft und ziehen nach Aachen, die Tochter darf zu ihnen kommen.
In Aachen werden sie nicht richtig heimisch, sie haben Heimweh nach Leipzig, ihren Freunden und der Mutter bzw. Großmutter. Die Tochter darf ihre Oma in der DDR regelmäßig besuchen, was sie sehr genießt.
Die Musik beherrscht das Familienleben, der Vater leitet eine Musikschule und spielt Klavier, die Mutter ist eine hervorragende Violinistin. Nach dem Gefängnisaufenthalt und wahrscheinlich aufgrund der dortigen Misshandlungen dauert es lange, bis sie wieder eine Geige halten und spielen kann. Die Tochter lernt zunächst Klavierspielen, danach Geige.
Über dem Wohlstand, in dem die Familie schon bald lebt, schwebt ein latentes Unglücklichsein. Die Mutter hat eine Autoimmunerkrankung und Depressionen. Die Tochter sehnt sich nach der Großmutter in Leipzig. „Die Dur-Welt meines Vaters, seine Heiterkeit und Lautheit waren eine Zumutung. Die Moll-Welt meiner Mutter war mir vertrauter, ich fühlte mich zu Hause in ihr.“ (S.155).
Nach der Wende ändert sich nicht viel, für die Freunde aus dem Osten sind die Neumanns jetzt Wessis, die Großmutter lebt seit ihrem 60. Geburtstag kurz vor dem Mauerfall ebenfalls in Aachen. Den Mauerfall erlebt die Tochter in den USA, wo der Vater für sie einen mehrmonatigen Aufenthalt mit Schulbesuch organisiert hat.
Das Buch ist keine Wohlfühllektüre, Tochter und Mutter sind permanent unglücklich. Warum wissen sie nicht zu schätzen, dass es ihnen in Aachen so gut geht? Ihre Gedanken kreisen tagein, tagaus um Leipzig und die Großmutter. Der einzige, der sein Leben genießt, ist der Vater, der Charakter, den ich als einzigen sympathisch fand. Für die Tochter bricht eine Welt zusammen, als die Großmutter keine Einreisegenehmigung zu ihrer Konfirmation bekommt. Dabei sehen sie die Großmutter jedes Jahr im Urlaub in der Tschechoslowakei. Aber auch das wissen sie nicht zu schätzen und jammern, dass sie nicht im gleichen Hotel wohnen können, da es Hotels für Gäste aus dem Westen und andere für die aus dem Osten gibt.
Das Buch fand ich recht bedrückend, für mich war das Jammern auf hohem Niveau, und ich finde es schade, dass Mutter und Tochter ihr gutes Leben nicht zu schätzen wussten. Der Schreibstil ist sachlich und wenig emotional. Ich habe die knapp 200 Seiten in kurzer Zeit gelesen und denke, dass das Buch für diejenigen interessant ist, die früher im Osten gelebt haben, da sie sich sicherlich mit der Familie identifizieren können.