Was Heimat für einen Menschen bedeutet

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leseclau Avatar

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Das Buch lässt mich zwiegespalten zurück. Denn es besteht für mich gefühlt aus zwei sehr ungleichen Teilen.

Die Ich Erzählerin berichtet zunächst aus kindlicher Sicht, wie es ihr ergangen ist in zwei Welten. Die Eltern sind Republikflüchtlinge, deren Flucht schief geht. Sie kommen ins Gefängnis und werden später in die BRD freigekauft. Das Kind verbleibt erst bei der Großmutter und zieht dann nach. Staunend lernt es gleichzeitig mit seinen Eltern, sich in der neuen Welt zurechtzufinden. Der Vater ist dabei überangepasst, die Mutter (gesundheitlich) überfordert. Die Stärke und gleichzeitig Schwäche dieses Teils ist dabei das reine dokumentieren des kindlichen Erlebens (und dies wirklich sehr genau – ich erkenne mich an vielen Stellen wieder!), selten jedoch seiner Gedanken. Das Mädchen wandelt zwischen den Welten, ist mal in Ost, mal in West. Hat hier die Eltern, die auf der Suche sind, da eine Großmutter, die ihr Halt und Geborgenheit gibt. Lebt den Alltag im Westen, die Ferien im Osten („Gleichzeitig passierte ich bei meinen Reisen nach Leipzig eine Grenze, die nach wie vor unüberwindlich war, …“). Und das alles sehr gleichmütig, wenig hinterfragend, eher ausweichend.

Was das bei ihr auslöst, erfahren wir erst im letzten Teil. Und das mit einer Wucht und Tiefe, die ich mir schon früher gewünscht hätte. Wir lesen von einer völlig entwurzelten Jugendlichen zur Wendezeit („Sprach ich in dieser Zeit mit Menschen aus dem Osten, hörte ich erste abschätzige Bemerkungen über Wessis. Sollte ich mich angesprochen fühlen?“). Einer Jugendlichen, deren Wertegerüst nie richtig wachsen konnte zwischen den Welten. Einer jungen Frau, die immer auf der Suche nach Heimat und Zugehörigkeit ist.