Für wen soll das sein?

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“Das kleine Buch der grossen Risiken” stammt aus der Feder von Jakob Thomä, wurde von Jörn Pinnow aus dem Englischen übersetzt und erschien im Klett-Cotta Verlag. Vielen Dank an den Verlag und Vorablesen für das Rezensionsexemplar. Natürlich ist meine Meinung trotzdem meine eigene! Behandeln tut das knapp 200 Seiten (ebook) starke Buch, was der Titel verspricht: Die grossen Risiken für die Menschheit. Dabei geht der Autor alphabetisch vor, ein Risiko pro Buchstabe. Da wird auch mal etwas Wortakrobatik und Schlaumeierei betrieben, um das ganze Alphabet sinnvoll zu besetzen. Wobei auch sinnvoll eher ein relativer Begriff ist.

Risiken - was ist damit gemeint? In der Einleitung schreibt der Autor einerseits von existenziellen Risiken, also jenen, die unser Überleben als Spezies betreffen. Gleich darauf weist er aber auch auf Risiken hin, die unser Zusammenleben, unsere moderne Gesellschaft bedrohen. Das eröffnet natürlich eine grössere Bandbreite für das Buch. Macht die Sache aber auch diffuser und führte für mich dazu, dass die Analyse der ausgewählten Risiken zur Subjektivität neigte.

Ganz im Allgemeinen war das Buch für mich doch erstaunlich subjektiv. Natürlich ist der Autor darum bemüht, wissenschaftliche Fakten zu seiner Einschätzung heranzuziehen. Und er versteht es, diese in allgemein verständlichen Worten zusammenzufassen und wiederzugeben. Teilweise sogar schon fast in anstrengend banaler Form. Aber die Auswahl der zitierten Forschung kann natürlich nicht vollständig sein. Und deren Bewertung und Gewichtung ist eben kaum objektiv. Und andere Texte kommen definitiv zu anderen Ergebnissen. Fast gänzlich ausser Acht lässt Thomä ausserdem, wie sich Risiken gegenseitig verstärken oder auch abmildern können - je nachdem, welchen Weg die Menschheit einschlagen wird. Es braucht keine künstliche Superintelligenz, die alle Menschen vernichten und/oder versklaven will, damit KI für die moderne Gesellschaft zur Gefahr wird. Was ich damit sagen will: Viele der behandelten Risiken beinhalten viel subtilere und perfidere Mechanismen, als das Hammerschlag-SuperGAU Szenario, das der Autor analysiert.

Wie dem auch sei, über den Inhalt und die Zuverlässigkeit von Thomäs Analyse kann man sicher geteilter Meinung sein. Und bestimmt ist es auch je nach Leser:in unterschiedlich lehrreich. Ich fand, wenn man sich ein wenig mit der Gesellschaft, Geschichte und aktuellen Entwicklungen auskennt (und ich meine wirklich nur ein bisschen), bietet “Das kleine Buch der grossen Risiken” leider sehr wenig Erleuchtung - wenig neue Fakten und wenige Gedankengänge und Analysen, auf die man nicht selbst kommen könnte (oder schon gekommen ist). Anzurechnen ist dem Autor allerdings, dass er ein absurdes Thema wie “Zombieapokalypse” erstaunlich sachlich und plausibel zu behandeln vermag. Und auch das Alienkapitel hat mich tatsächlich zum Schmunzeln gebracht - vor allem wegen der erstaunlichen Fantasie des Homo Sapiens.

Ansonsten hat sich mein Schmunzeln aber doch sehr in Grenzen gehalten. Offenbar teile ich den Humor des Autors nicht, weswegen seine Scherze bei mir mehr Augenrollen ausgelöst haben, als mich zu unterhalten (Klammerbemerkungen missbrauchen, um über die eigenen Witze zu lachen, kann ich einfach nicht entschuldigen). Dieses sich selbst nicht ganz ernst nehmen gepaart mit dem Geschmack von Verschwörungstheorien, die manche Themen hatten, führte dazu, dass es mir immer mal wieder schwer fiel, den Autor überhaupt ernst zu nehmen. Und die dringlichen, wirklichen und akuten Risiken verlieren durch diese Gesellschaft und Aufbereitung irgendwie an der Brisanz, die ihnen zusteht.

“Das kleine Buch der grossen Risiken” war für mich nicht direkt Zeitverschwendung. Aber gebraucht habe ich es auch nicht. Es war ganz zügig lesbar, auch weil es einen überschaubaren Umfang hat. Für mich bleibt die Frage offen, für wen dieses Buch sein soll. Verschwörungstheoretiker werden sich damit nicht überzeugen lassen, Hypochonder nicht beruhigen. Untätige Konsumzombies und Smombies vermag es bestimmt nicht wieder zu beleben. Aber vielleicht findet ja ein evil-mind-Du darin Inspiration, wie es die Gesellschaft über die Klippe kicken kann.