Der Kopf der Königin

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martinchen Avatar

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Das Debüt der als Übersetzerin bekannten Autorin Stefanie Gerhold bewegt sich zwischen Roman und Sachbuch. Sie verwebt die Fakten um den Fund und die Reise der Büste der Königin Nofretete mit Teilen der Biographie des Mäzens James Simon, der seinen Reichtum für soziales Engagement und die Förderung der Kunst und insbesondere der Grabungen in Ägypten nutzte.

Der Roman umfasst die Zeit von 1912, als Ludwig Borchardt bei seinen, von Simon geförderten Grabungen u.a. die schöne Königin findet bis etwa 1930, als der Streit um das Eigentum an der Büste auf dem Höhepunkt ist und auch Ludwig Borchardt persönlich angegriffen wird, ein Zeitabschnitt, der Kaiserreich, den Ersten Weltkrieg, die Weimarer Republik mit Weltwirtschaftskrise und das Aufkommen des Nationalsozialismus umfasst.

Stefanie Gerhold beschreibt die Zeit Anfang des letzten Jahrhunderts sehr lebendig. Ihr ausgezeichnet recherchierter Roman lässt die fiktiven Passagen sehr lebensnah wirken. Vor allem wird der immer vorhandene Antisemitismus an vielen Stellen deutlich sichtbar, ohne direkt angesprochen zu werden. Ihr Schreibstil erscheint eher sachlich, transportiert jedoch an vielen Stellen Gefühle, die zur damaligen Zeit nicht unbedingt öffentlich gezeigt wurden. Der Besuch bei James Simons Schwester etwa oder insbesondere die erste Begegnung von James Simon mit der Büste der Nofretete. Sehr detailliert ist die schöne Königin beschrieben, auch die Beschädigungen, die sie erleiden musste.

In weiten Teilen steht der Mäzen Simon im Vordergrund, ein Mann, der viel Gutes für Berlin getan hat, am Ende aber allein und vergessen stirbt. Über Ludwig Borchardt, der für die Ausgrabungen lebte und alles daran setzte, diese fortzusetzen, hätte ich gern noch mehr erfahren. Das weitere Schicksal der Büste der Nofretete wird im Epilog erzählt und rundet so den Roman ab.

Das Coverbild, ein Foto eines verregneten Tages der damaligen Zeit, sehe ich als Sinnbild für den Roman. Das schöne Detail des Büstenprofils im Titel ist sehr gelungen.

Fazit: ein sehr gut recherchierter Roman