Geschichte trifft Fiktion

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missmarie Avatar

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"Nach fünf mageren Jahren als Republik hatten die Berliner wieder eine Königin. Alle verehrten sie. Die Fachwelt stand kopf. Zeitschriften widmeten ihr eigenen Nummern, und für all die, die von Skulpturensprache nicht so viel verstanden, war sie einfach die schönste aller Frauen."

Diese schönste aller Frauen ist niemand weniger als Nofretete bzw. die Büste, die 1912 in Tell el-Amarna von Ludwig Borchert geborgen wird. Finanziert wird die Grabung von James Simon, einem wohlhabendem Baumwollhändler aus Deutschland und Teil des aufstrebenden jüdischen Bürgertums Anfang des 20. Jahrhunderts. Sein Verdienst ist es, dass die deutsche Orient-Grabungsgesellschaft gegründet wird und der archäologische Rausch dieser Zeit sich vervielfältigt. Und schnell ist ihm auch klar, dass die Büste der Nofretete nach Berlin kommen muss - entgegen aller Teilungsvorhaben der Franzosen, die die Verwaltungsaufgaben in Ägypten übernommen haben.

Stefanie Gerhold macht aus dem historischen Stoff mit "Das Lächeln der Königin" einen spannenden Roman, der seine Leser tief in die Hochphase der deutschen Ausgrabungsbemühungen im Orient mitnimmt. Die Geschichte rund um die Büste, die sich noch heute in Berlin befindet, ist an sich schon erwähnenswert. Gelungen verbindet Gerhold hier aber auch den zeitgeschichtlichen Kontext - Kaiserreich, Erster Weltkrieg, Weimarer Republik, Aufkommen der Nationalsozialisten - mit dem Leben eines beeindruckenden Berliners, James Simon. Viele historische Persönlichkeiten wie etwa Wilhelm von Bode, dessen Name zumindest im Museums-Stadtbild Berlins bis heute präsent ist. Gekonnt füllt die Autorin dabei Lücken, die die Quellenlange nicht abdecken können. Dabei bleibt die Fantasie aber stets im Bereich des Plausiblen. So wird "Das Lächeln der Königin" zu einer Leseempfehlung für alle Geschichts- und Ärchologieinteressierten.