Mäzen der Kunst und der Menschlichkeit

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„Was hatten sie Berlin nicht alles hinterlassen, was hatten sie nicht alles getan, um ihr Land voranzubringen auf seinem Weg zu wirtschaftlicher Prosperität und kultureller Blüte.“
Dieses Zitat aus dem Roman „Das Lächeln der Königin“ von Stefanie Gerhold gilt auch für ihren Protagonisten, den Baumwollfabrikanten James Simon. Er ist Kunstsammler, der seine Renaissance-Sammlung bedeutender Maler dem Berliner Museum stiftet, der Kinderhäuser und Armenhäuser unterstützt, der sich für die sozialen Belange seiner Angestellten einsetzt, auch noch, als die die Wirtschaftskrise seine Firma aufzufressen droht. Und er ist nicht zuletzt der Mann, der sich der Archäologie verschrieb, ohne je selbst die Ausgrabungsstätten in Ägypten besucht zu haben. Er ist es, der die berühmte Büste der Nofretete ins Berliner Museum bringt.
Doch erntet nicht er die Begeisterung des Berliner Volkes für ihre „Königin“, sondern er gerät in die diplomatischen Ränke zwischen Deutschland, Frankreich und England, die alle aus ägyptischen Schatztruhen schöpfen wollen. Es beginnt ein Feilschen um die „Königin“, deren Existenz in Berlin durch den Ausgang des Ersten Weltkrieges noch problematischer wird. Auf einmal schwebt der Vorwurf im Raum, der Jude James Simon habe sich ihrer unrechtmäßig bemächtigt, sie gehöre nach Ägypten. Der zunehmende Antisemitismus, der den Juden die Schuld am Verlust des Krieges und der Not der Deutschen gibt, bedrängt mal mehr, mal weniger offen auch James Simon, den einst so kultur- und menschenzugewandten Mann, der alles gegeben und am Schluss alles verloren hat.
Die Autorin zeichnet ein warmes, liebevolles Porträt dieses großherzigen, gütigen, feingeistigen, intellektuellen und aufgeschlossenen Mann, dem es nie um sich ging und der gerne alles Schöne und Gute mit allen zu teilen bereit war, und der am Ende aus seiner Welt der Musik, der Kunst, des Altertums und der Archäologie verdrängt wurde durch eine neue, laute, rohe Zeit.
In dem Roman „Das Lächeln der Königin“ kommt der Leser wir Simon selbst nie nach Ägypten, es ist kein Abenteuerroman, es geht nur mittelbare um ferne Länder, um das Abenteuer der Ausgrabungen. Der Leser ist mit Simon in Berlin und wartet auf die Dinge, die da kommen. Trotzdem entwickelt der Roman eine Spannung und einen Lesesog, der einen das Büchlein in seiner gut leserlichen Art nicht gerne wieder aus der Hand legen lässt.
In einer Zeit heute, in der der Antisemitismus auch wieder erstarkt, erscheint ein solcher Roman besonders wichtig, der uns auf ganz leise, aber eindringliche Art zeigt, wie sich bedrohlich langsam eine Entwicklung in Gang setzt, die aus Neid, Missgunst, Gier und Profilierungssucht und erst in zweiter Linie aus Dummheit zu einer menschlichen katastrophe unermesslichen Ausmaßes wird.
„Und wozu hatte es geführt? Niveauvoller oder gar friedlicher hatte es die Menschen jedenfalls nicht gemacht, dass sie in den Museen nun als leuchtendes Beispiel den Reichtum früherer Hochkulturen präsentiert bekamen?“ Kann man den Menschen durch das Schöne zum Besseren erziehen? Und kann er aus der Geschichte endlich einmal lernen?