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palatina Avatar

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„Das Leben ein ewiger Traum“ – das klingt erst einmal kitschig. Auch wenn klein darunter steht, dass der Roman des Autorenduos (mit dem Pseudonym Helene Sommerfeld) von einer Polizeiärztin handeln soll. Den Titel würde ich noch einmal überdenken, denn der Roman ist alles andere als kitschig.
Er ist in 21 Kapitel unterteilt, die jeweils Überschriften enthalten. Den roten Faden bildet eine junge Witwe, die aus einer Kleinstadt nach Berlin kommt, um hier eine Stelle als Polizeiärztin anzutreten und so über ihre Trauer um ihren ermordeten Mann hinwegzukommen.
Aber es geht nicht nur um sie. In diesem Roman werden viele verschiedene Geschichten von Frauen aus verschiedenen sozialen Schichten im Berlin der 20er Jahre erzählt: die von Celia, die unglücklich mit einem reichen Mann verheiratet ist, aber lieber studieren möchte. Die Geschichte von Celia ist fast schon so etwas wie ein zweiter roter Faden. Es geht darin auch um Doris, das Mädchen vom Lande, das hofft, in Berlin „ein Glanz“ zu werden, um Frauen, die sich prostituieren oder ihre Kinder verkaufen, um über die Runden zu kommen, und um Frauen, die unter der Syphilis leiden. Er handelt aber auch von Kindern, die in Armut hineingeboren werden und schutzlos sich selbst überlassen oder ausgebeutet werden, und von der Fürsorgerin Ina, die es sich zur Lebensaufgabe gemacht hat, manchen dieser verwahrlosten Kinder eine Perspektive aufzutun. Was all diese Frauen verbindet, ist das Streben nach einem besseren Leben. Sie nehmen ihr Leben in die eigene Hand, auch wenn einige am Ende damit nicht erfolgreich sind oder sogar resignieren oder scheitern. Manche dieser Handlungsstränge finden ein glückliches Ende, wieder andere bleiben offen. Das lässt jede Menge Raum für Fortsetzungsromane.
Der Roman zeichnet sich auch durch gelungene Milieuschilderungen aus. Diese sind wirklich interessant und scheinen gut recherchiert zu sein. Einige der Figuren wirken authentisch. Durch den Berliner Zungenschlag gewinnen die Figuren Persönlichkeit. Wieder andere sind ein bisschen blass und spielen irgendwann keine wesentliche Rolle mehr: Vor allem die Männer vom Polizeipräsidium, für die Magda arbeitet, tauchen einfach auf einmal nicht mehr auf. Und natürlich gibt es Liebesgeschichten, die aber an keiner Stelle kitschig
werden.
Erfreulicherweise werden all die vielen Personen in einem Kapitel „Die wichtigsten Personen“ noch einmal aufgelistet und mit Geburtsdaten versehen. Besser wäre es aber, diese Auflistung vorne unterzubringen. Bei so vielen Figuren ist das nämlich sehr hilfreich und macht wenig Sinn, wenn man es erst am Ende entdeckt.
Insgesamt ein sehr lesenswerter Roman, vor allem für Menschen, die sich für die 20er Jahre und für vielfältige Lebenswelten von Frauen in dieser Zeit interessieren.