Sonderbar, irgendwie gut, aber nicht richtig meines

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elke seifried Avatar

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Landschaftsgärtner Carlo hat gerade mit seinem Hilfsgärtner Agon ein anstrengendes Gartenprojekt erfolgreich umgesetzt und nun beendet, als ihn ein Anruf der Seniorenresidenz erreicht. Seine Mutter ist von dort getürmt. Klar im Grandhotel in Gilon lässt es sich doch auch so viel besser leben.

Als Leser bekommt man hier einige lose Handlungsstränge, die sich mehr oder weniger aneinanderfügen. Zum einen lernt man Agon, den Hilfsgärtner aus dem Kosovo kennen. Klar gibt es auch den in der Beschreibung Buchbeschreibung erwähnten Überfall, aber der löst sich irgendwie in Luft auf, vielmehr geht es wohl um den Hilfsgärtner und seine tolle Art an sich. Gartentechnisch gibt es Aufenthalte im Schrebergarten, der dann einem Sportpark weichen muss, und einige Einblicke in Aufträge, manchmal verwilderte Gärten wieder auf Vordermann bringen, manchmal Schnickschnack anlegen. Toll fand ich die Vogelbetrachtungen von Carlos Mutter, mit der man natürlich nach der wenig aufregenden Suche auch Kontakt hat und so von deren Kindheit, Jugend und ersten Liebe, die bis zum Zweiten Weltkrieg zurückreicht, erfährt. Zudem gibt es noch einige Episoden, bei denen Carlo Kontakt mit Ana, von der er getrennt lebt, hat. Mehr will ich gar nicht verraten.

Der Autor beschreibt mit vielen Bildern, so konnte ich mir z.B. nicht nur die halb ausgeräumte Küche, nachdem seine Lebensgefährtin bzw. Frau Ana ausgezogen ist, mehr als genau vorstellen, sondern gleichzeitig seine Einsamkeit deutlich fühlen. Roland Buti konnte mich mit einzelnen Szenen richtig berühren, z.B. wenn die tottraurige Mutter sagt, „Das ist kein Heim. Das ist sogar das genaue Gegenteil von einem Heim.“, oder später dann zusehends körperlich und geistig verfällt. Gerne hätte ich noch mehr Treffen mit ihr erleben dürfen, das kam mir fast ein wenig zu knapp. Emotionen werden oft gelungen transparent, „Meine Sehnsucht schmerzte. Es fühlte sich an wie Heimweh. Die Arme dieser Frau waren mein eigentliches Zuhause, und ich wusste, dass ich mich überall sonst immer nur fremd fühlen würde.“. Aber so sehr der Wunsch sich nicht auseinandergelebt zu haben, den Zug nicht verpasst zu haben, spürbar ist, sosehr haben mich dann die Szenen und deren Verschwinden im Nichts zwischen Carlos und Ana befremdet. Vieles rund um Argon, vor allem, das was seine Größe zeigt, seinen Respekt vor dem Alter, vor jedem eigentlich, haben mich wieder völlig in die Geschichte gezogen. So war das Lesen ein regelrechtes Auf und Ab. Das Buch zur Seite legen wollte ich aber auch nicht, dazu war ich zu gespannt, wie es ausgehen wird und ob es vielleicht doch noch die eine oder andere Antwort auf meine Fragen gibt, u.a. auf die, wo der Autor eigentlich genau mit mir hin will. Ab und an hat er mich auch zum Schmunzeln gebracht. „Die Speisen versetzten sie in Erregung. Eine Erbse, die durch eine Kreisbewegung ihrer Gabel unversehens vom Teller katapultiert wurde, durchquerte den halben Saal und kam erst einer Glasvitrine zum Liegen. Ein Kellner sammelte sie diskret auf.“, ist nur ein Beispiel für eine solche Beschreibung.

„Vielleicht ist unser Dasein ja nichts weiter als eine geöffnete und dann wieder geschlossene Klammer mit einem bisschen unergründlichen Raum dazwischen? Man muss sich gegen seinen Willen mitreißen lassen, darf nicht zulassen, dass sich die Dinge ansammeln und zu Paketen werden, die einen verbeulen und beschweren, man muss sein, wie ein glattes, rundes Sandkorn, das geradewegs auf den Grund des Tümpels sinkt,…“ Es finden sich viele philosophisch, poetische Gedanken in dem Roman, einige haben mich zum Nachdenken gebracht, aber ich konnte nicht mit allen gleich viel anfangen.

Am meisten in mein Herz geschlichen hat sich Agon. Carlos zunehmend demente Mutter, hat mir leid getan, ihren ausgemergelten Körper, der bestimmt sonst so starken Frau, hatte ich mehr als deutlich vor Augen. Lebhaft ausmalen konnte ich mir auch den Hoteldirektor Scheidegger mit seiner bemühten und aufgeregten Art. Für die wenigen Seiten haben die Mitspieler so durchaus eine ansehnliche Portion Profil, Carlos jedoch blieb mir leider irgendwie fremd.

Alles in allem ein Roman, der es mir schwer macht eine Einschätzung bzw. Empfehlung abzugeben. Auf jeden Fall sonderbar, irgendwie gut, aber doch auch nicht richtig meines. Ich schwankte sehr zwischen drei und vier Sternen, 3,5 wären optimal.