Viel Inhalt auf wenig Seiten

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miriam0000 Avatar

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Carlos Weiß führt ein eher ruhiges Leben. Seine Frau hat ihn vor einiger Zeit verlassen, die Tochter ist erwachsen geworden und lebt nun in London ihr eigenes Leben. Seine Leidenschaft ist die Arbeit als Landschaftsgärtner – nur an der frischen Luft fühlt er sich wirklich wohl, in geschlossenen Räumen bekommt er schnell ein klaustrophobisches Gefühl. Auch Freunde hat er nur wenige: Einzig die intensive Freundschaft zu seinem Mitarbeiter Agon holt ihn hin und wieder aus seiner Lethargie. Doch dann passieren einige Dinge, unter anderem, dass seine Mutter aus dem Seniorenheim verschwindet.
„Das Leben ist ein wilder Garten“ ist ein unaufgeregt erzählter Roman. Die Zeitspanne, die wir Carlos begleiten ist sehr kurz und auch ist er ein eher passiver Protagonist, der mehr beobachtet, anstatt dass er handelt. Auch nach der Lektüre wurde ich aus ihm nicht so richtig schlau. Bis auf seine verflossene Ehefrau, die er sehr liebt, und seinen Mitarbeiter Agon scheint er für die meisten Menschen keine Gefühle oder Emotionen zu haben und steht ihnen eher distanziert gegenüber. Zwar macht er sich Sorgen, als seine Mutter verschwindet, jedoch unternimmt er auch nichts auf eigene Faust, um sie zu finden. Vielleicht liegt es an der Kürze des Romans, dass man als Leser kaum Einblick in Carlos Inneres bekommt.
Inhaltlich fährt der Roman mit einer Vielzahl an großen Themen unserer Zeit auf: So spielt die Einstellungen der Gesellschaft zu Flüchtlingen – Agon ist aufgrund politischer Gründe aus dem Balkan geflüchtet – eine Rolle, aber auch der Umgang mit dementen Angehörigen, die Kriegsvergangenheit der älteren Generation sowie der Raub an der Natur zu Gunsten von Großprojekten werden thematisiert. Auch wenn es dem Autor in den meisten Fällen ganz gut gelingt, diese Themen miteinander zu verknüpfen, fand ich es doch etwas zu viel hinsichtlich der Länge des Romans mit nur 170 Seiten. Das Potenzial für einen längeren, intensiven Familienroman wurde dadurch leider ungenutzt – schade.
Insgesamt hat mit der Roman jedoch ganz gut gefallen. Vor allem sprachlich konnte er mich sehr überzeugen und die Szenen mit der Mutter im Grand National waren wirklich toll. Ein ruhiger Roman, der mir allerdings nicht ewig im Gedächtnis bleiben wird.