Auf den Spuren einer schrecklichen Vergangenheit

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gormflath Avatar

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Anja Jonuleit versteht es in ihrem neuen Roman wieder hervorragend, ihre Geschichte auf zwei Zeitebenen miteinander zu verknüpfen und Spannung bis zur letzten Seite zu bieten.
Die Schriftstellerin Eva entdeckt zufällig ein Phantombild in einer Boulevardzeitung, die ihr bisheriges Leben aus den Fugen geraten lässt. Auf dem Foto ist eine bisher nicht identifizierte Frau zu sehen, die Ende November 1970 in den Bergen Norwegens gewaltsam ihren Tod fand. Die Frau sieht ihrer Mutter zum Verwechseln ähnlich und Eva ahnt ein dunkles Familiengeheimnis, dessen Spur sie unbedingt verfolgen muss. Auf ihrer Reise nach Norwegen verfolgt Eva schrittweise die Lebensspuren ihrer Tante Margarete, der verschollenen Zwillingsschwester ihrer Mutter. Gleichzeitig taucht der Leser in die Vergangenheit des Lebens dieser Schwester ein, über die ihre Mutter nie sprechen wollte.
Die Phantomzeichnung führt Eva zu dem jahrzehntelang vergessenen Fall der „Isdal Frau“. Akribisch verfolgt Eva mit Hilfe des norwegischen Kommissars Solberg und der Übersetzerin Moen alle Möglichkeiten und erlebt auf der Spur in die Vergangenheit etliche Wirrungen, bis sie zu erschreckenden Erkenntnissen gelangt.
Die Autorin verknüpft in ihrem Roman nach einer wahren Begebenheit die Zeit des Nationalsozialismus und die traumhafte Kulisse Norwegens perfekt und mit einer Tiefe miteinander, dass die Zeiten vor den Augen ihrer Leser sich zu einem lebendigen Bild zusammenfügen. Margaretes Lebensreise auf der Suche nach ihrer verschwundenen Mutter und Schwester führt von Deutschland nach Belgien, Frankreich, Norwegen und Italien, man fühlt sich in die schlimme Zeit des Dritten Reichs versetzt. Schon in ihrem Roman „Herbstvergessene“ setzte Anja Jonuleit das Thema Lebensborn, Kinderheime in der Nazizeit, um. Hier beweist sie einmal mehr ihre erzählerischen Fähigkeiten, die uns ein Zeitbild europäischer Geschichte liefern, die sich nie wiederholen darf.
Wer die Autorin noch nicht kennt, dem sei auch unbedingt ihr Buch „Das Nachtfräuleinspiel“ ans Herz gelegt, in dem sie die haarsträubenden Theorien einer Erzieherin in den 1968er Jahren unter die Lupe nimmt.