Der Stich ins Wespennest

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
coni90 Avatar

Von

„Das letzte Bild“ ist der erste Roman, den ich von Anja Jonuleit lese. Unglaublich fesselnd gibt diese der „echten“ Isdal-Frau eine fiktive Romangeschichte, die stets erschreckend viele der tatsächlichen Fakten und Indizien aufgreift. Denn die „Isdal-Frau“ wurde im norwegischen Isdal nahe Bergen im November 1970 tot aufgefunden. Weder die Identität der Frau, noch ihre Todesumstände konnten bis heute geklärt werden. Aufgrund diverser Indizien und unklarer Datenlage umgibt den Fall auch heute noch eine gewisse Mystik.

Der Roman beinhaltet drei Erzählstränge. Dabei begleitet der Leser abschnittsweise Marguerite (die Isdal-Frau) in der Vergangenheit, als auch die Hauptfigur Eva und den Protagonisten Laurin in der Gegenwart. Das Layout, bei dem die Schriftart stets wechselte, um diese 3 verschiedenen Erzählstränge voneinander abzugrenzen, empfand ich leider als nicht gut gelungen. Lange habe ich gebraucht, um mich damit zu arrangieren.

Inhaltlich ist der Roman aber irrsinnig gut recherchiert und die Kriminalgeschichte extrem fesselnd und packend. Ich war so mitgerissen, dass ich das Buch kaum aus den Händen legen konnte und nachts davon träumte. Das Thema hat mich sehr beschäftigt und nach Abschluss des Romans musste ich diesen erstmal Sacken lassen! Eine tolle Leistung der Autorin!

Der Sprachstil bleibt stets angenehm und leicht, der Erzählstil überwiegend nüchtern und tendenziell autobiographisch. Hierdurch habe ich länger gebraucht, um mit den einzelnen Personen warm zu werden. Die einzelnen Charaktere bleiben insgesamt leider etwas blass. Im Vordergrund stehen der Kriminalfall und die Auseinandersetzung mit den verschiedenen Hinweisen und Indizien rund um die Isdal-Frau. Im Nachhinein hätte ich mir historisch gesehen noch mehr Informationen über die NS-Zusammenhänge gewünscht und in diesem Zusammenhang noch mehr über die Familienverhältnisse und speziell Evas Großmutter („Omi Resi“) und ihre „Arbeit“ erfahren. Auch die Figur der Eva blieb für mich hinsichtlich ihres Charakters, ihrer persönlichen Wünsche und Träume eher unausgearbeitet. Sie stellte lediglich das Medium dar, um im Fall „Isdal-Frau“ zu ermitteln. Davon abgesehen habe ich mich aber sehr gut unterhalten gefühlt und war schnell an das Buch gefesselt. Beeindruckend wurden die Ermittlungsfakten rund um die „Isdal-Frau“ in einen Roman gebettet, dessen Grenze zwischen Fiktion und Realität ohne den sorgfältig zusammengestellten Anhang der Autorin für mich nicht zu erkennen gewesen wäre. Chapeau! Sicherlich nicht das letzte Buch, was ich von Anja Jonuleit gelesen haben werde!