Ein Denkmal für Margarete

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Autorin Eva Berghoff kauft gerade beim Bäcker Butterbrezeln für sich und ihren Sohn Justus, als ihr Blick auf die BILD-Zeitung fällt. “War die unbekannte Tote eine Deutsche?“ titelt das Revolverblatt, wie Eva das Journal nennt. Aber nicht der Text lässt sie aufmerken, es ist das Phantombild darunter, das sie irritiert. Kann es denn sein, dass diese Person ihrer Mutter zum Verwechseln ähnlich sieht? Oder bildet sie sich das alles nur ein? Nein, als Schriftstellerin ist sie es gewohnt, exakt zu recherchieren und zu hinterfragen – und genau das wird sie nun tun, besonders deshalb, weil ihre Mutter die Vergangenheit immer großzügig ausblendet.

In einem packenden und faszinierenden Roman thematisiert Anja Jonuleit die „Isdal-Frau“, die Tote im Eistal: eine Frau, die nahe Bergen am 29. November 1970 tot aufgefunden wurde und deren Identität nach wie vor ungeklärt ist. In diesem Buch bekommt die Unbekannte einen Namen und eine bewegende Geschichte, die der Leser über einen Zeitraum von mehr als dreißig Jahren begleiten darf. Sprachlich sehr einfühlsam schildert Jonuleit gleich zu Beginn ein kleines Mädchen, fast scheint es, als ob man in ein Märchen eintaucht. Und schon steckt man mitten drinnen in einer aufregenden Suche nach der Familie, raffiniert aufgebaut in zwei Zeitebenen, wobei sowohl Tante als auch Nichte [und sogar die Autorin selbst, wie sich im Nachwort herausstellt] den selben Spuren folgen und auf unfassbare Dinge stoßen.

Die Personen sind so klar und in ihrer Handlungsweise so realistisch und glaubwürdig dargestellt, dass man sich in jede von ihnen sofort hineinversetzen kann. Auch die jeweiligen Lebensumstände sind der Zeit entsprechend ins passende Licht gerückt und vermitteln das Umfeld der kleinen Margarete ebenso gut wie später die wilden 1960er-Jahre der erwachsenen jungen Dame. Durch hervorragende Recherche erfährt der Leser viele interessante Details aus den letzten Kriegsjahren, allgemeine Tatsachen ebenso wie ganz persönliche Schicksalsschläge und kann gar nicht anders, als mit beiden Frauen mitzufiebern. Gekonnt wechseln die Szenen und werden je nach Zeitschiene im Präsens und im Präteritum geschildert, wobei immer häufiger die Übergänge so dargestellt werden, dass die Bilder den Anschein erwecken, ineinanderzufließen.

Durchgehend von der ersten bis zur letzten Seite fesselt der eingängige Schreibstil und lässt einen das Buch kaum aus der Hand legen. Die Verquickung von wahren Begebenheiten und Dichtung ist perfekt gelungen, eine Fülle an ungewöhnlichen und rätselhaften Einzelheiten führt mit einer logisch aufgebauten Handlung zu einem beeindruckenden Ganzen. Der mysteriöse Kriminalfall von Norwegen ist damit keineswegs geklärt, jedoch bekommt Margarete durch diesen tollen Spannungsroman ein würdiges Denkmal. Absolute Leseempfehlung! *****



ISBN 978-3-423-28281-9

Sprache Deutsch

Ausgabe Gebundenes Buch, 480 Seiten

ebenfalls erhältlich als ebook und Hörbuch

Erscheinungsdatum 20. August 2021

Verlag dtv Verlagsgesellschaft