Zwei Geschichten des Erinnerns

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gerwine ogbuagu Avatar

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Zwei Geschichten in einer Geschichte lesen wir hier. Kunstvoll verknüpft Jonuleit die Stränge der verschiedenen Zeitebenen. Einmal Evas Suche nach ihrer Tante Margarete, der seit Jahrzehnten verschollenen Zwillingsschwester ihrer Mutter Ingrid. Gleichzeitig verfolgen wir das Leben dieser Schwester, von der die Mutter nie sprechen wollte.
Was wäre wenn…kann auch hier gefragt werden, denn was wäre, wenn Eva nicht morgens in einer Bäckerei auf der Titelseite einer Zeitung eine Zeichnung gefunden hätte, die aufs Neue zum jahrzehntelang vergessenen Fall der „Isdal Frau“ führt.
Das Bild erschreckt Eva, denn es sieht ihr ähnlich. So ähnlich, dass sie die Zeitung kauft und sogar ihr Sohn Justus sich wundert, dass seine Mutter gerade diese Zeitung gekauft hat, die sie ihm immer als unzumutbar erklärt hat.
Eine Geschichte wie ein Krimi und doch keiner. Ein Mysterium. Ein Zeitbild einer schrecklichen Phase der europäischen Geschichte, die Jonuleit zu einem Text inspiriert hat, der sich zwischen Gegenwart und Vergangenheit bewegt. Ihre Figuren sind erdacht, trotzdem haben sie haben Tiefe und sind rund. Jonuleit konnte durch ihre Recherchen den Fall aufrollen, nachvollziehen und nacherzählen und das in bewundernswerter Weise. Wir können uns die Schreckenszeit des Dritten Reiches ausmalen. Margaretes Geschichte, die der verschwundenen Schwester, erstreckt sich von Deutschland nach Belgien, Frankreich, Norwegen und Italien. Eva in der Gegenwart entscheidet sich für eine Spurensuche, die sie nach Norwegen führt. Akribisch verfolgt sie alles, was sich ihr an Möglichkeiten bietet. Zur Seite stehen ihr Moen, die norwegische Übersetzerin und Solberg, ein norwegischer Kommissar. Jonuleits Erzählkunst, die wir schon von anderen Romanen, wie zum Beispiel „Der Apfelsammler“ kennen, lässt uns hier wieder vor Spannung kaum eine Pause beim Lesen machen. In ihrem früheren Roman „Herbstvergessene“ setzt sie das Thema ähnlich um wie in das „Das letzte Bild“. Lebensborn, die Kinderheime in der Nazizeit und die von Schrecken verursachten Alpträume, die die früheren Insassen erleben mussten und die bis in die Gegenwart vieler Opfer reichen. Eine Tochter macht sich auf die Suche nach der verschollenen Zwillingsschwester ihrer Mutter. Die Schwester, von der die Mutter nie erzählen wollte.
„Wir sind zu einem wesentlichen Teil das, was wir erinnern und vergessen.“(S. 431) denkt sich Laurin, der Geschichtsprofessor, der nun nach all den ungeheuerlichen Entdeckungen der letzten Wochen keine Wahl hat, als seine Geschichtsbücher umzuschreiben.