Authentisch geschriebener, meditativer Roman über Rentiere, die Kultur der Samen und das Leben in der Kälte

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Eines Tages im Winter des Jahres 2008 macht sich die kleine Elsa auf den Weg zum Rentiergehege. Die ganze Strecke legt sie allein auf Skiern zurück, da sie nach ihrem Rentierkalb Nástegallu sehen möchte, um es zu füttern und vielleicht streicheln zu können. Doch als sie am Rentiergehege ankommt, findet sie dort Robert Isaksson vor, der ihr Rentier abgeschlachtet hat. Nástegallu, dem die Ohren abgeschnitten wurden, ist blutig, tot. Von Robert mit dem Tod bedroht, schweigt Elsa über das, was sie gesehen hat. Weder ihren Eltern noch ihrem großen Bruder und auch der Polizei gegenüber verrät sie nicht, dass Robert Isaksson ihr Ren getötet hat. Und so nimmt das Drama seinen Lauf.

Im Winter des Jahres 2008 ist Elsa erst neun Jahre alt. Ihre Familie sind Samen, die als Rentierhalter leben. Elsa wohnt zusammen mit ihrem großen Bruder Mattias bei ihren Eltern. Das gelbe Haus nebenan gehört ihren Großeltern Áddjá und Áhkku. Im Ort besucht Elsa zusammen mit ihrer zwei Jahre älteren Freundin und Cousine Anna-Stina die samische Schule.
Der Schock, mit dem das Leuchten der Rentiere beginnt, sitzt tief. Die junge Elsa findet ihr geliebtes Rentier Nástegallu tot auf. Den Verlust verkraftet sie nur schwer, da sie aus Furcht mit niemandem über dessen Mörder reden kann. Glaubwürdig schildert Ann-Helén Laestadius das Drama zu Beginn des Romans aus Sicht ihrer jungen Figuren. Neben der Perspektive von Elsa, aus deren Warte der Großteil der Ereignisse erzählt wird, umfasst diese aber etwa auch die Gedanken von Elsas großem Bruder Mattias. Dass Elsa noch so jung ist, ist dabei stets präsent, da die Sprache oft kindlich gehalten ist und Elsa viele Worte der erwachsenen Sprache nicht versteht. Abgesehen von Elsas ihrem Alter geschuldete, naive Sicht auf die Welt spielt Sprache von Beginn an eine zentrale Rolle in diesem Roman. Denn die Autorin lässt Elsa einige Worte der samischen Sprache erklären. So nennt Elsa ihre Großeltern etwa Áddjá (Großvater) und Áhkku (Großmutter). Abgerundet wird dies von einem Glossar, das sich am Ende findet und die in diesem Roman verwendete Begriffe der samischen Sprache erläutert.

Das Buch ist keine leichte Kost, da die Autorin in realistischer Sprache und oft aus kindlicher Sicht die Ausgrenzung, die die Samen in der Vergangenheit erfahren mussten, aber auch in der Gegenwart noch zu erdulden haben, beschreibt. So wurden Elsas Großeltern gezwungen sesshaft zu werden, obgleich Elsa selbst zu jung ist, um die Bedeutung dieses Wortes wirklich zu verstehen. Elsas Großmutter musste die Nomadenschule besuchen und düstere Erinnerungen an diese Zeit verfolgen sie bis heute, wenn sie Elsa aus der Schule abholen muss. Elsas Mutter hingegen wurde von den Samen als Rivgu bezeichnet, da sie keine richtige Samin ist. Erst als Elsas Vater und sie geheiratet haben und Elsas Bruder geboren wurde, hat sich die Akzeptanz von Elsas Mutter verbessert.
Im Hier und Jetzt leidet Elsa unter der Dunkelheit, in der das Haus ihrer Eltern nachts liegt, da die Laternen in diesem Teil des Dorfs abgeschaltet sind. Und als Elsas Vater den Tod des Rentiers bei der Polizei anzeigen will, wird er nicht ernst genommen. Die Polizei weigert sich zum Gehege des toten Rentiers zu kommen, um Spuren des Schneemobils vom Täter zu untersuchen. Und letztlich wird der Tod von Elsas Rentier nur als Diebstahl geahndet, obwohl das Kalb aus Grausamkeit ermordet wurde, um der Familie das Leben schwer zu machen.
Auch wenn der Roman sich nicht in schönen Naturbeschreibungen ergeht, entwickelt dieser in seinem Verlauf dennoch einen fast meditativen Sog. So beschreibt die Autorin authentisch das ungewohnte Leben in absoluter Kälte, wenn es im Winter schon mal minus 20 Grad werden kann. Jede Pause, die auf dem Schulhof verbracht werden will, ist mit Mühen verbunden. Und jede zurückgelegte Strecke auf tief verschneiten Straßen bedeutet eine nicht zu unterschätzende Anstrengung. Dabei ist Elsa oft auf Skiern unterwegs bzw. mit ihrem Tretschlitten, als sie ihre Skier nach der Erfahrung mit ihrem toten Rentier nicht mehr sehen mag. In detaillierten Beschreibungen hat mir die Autorin dieses Leben, das so anders ist, näher gebracht. So sind etwa die Spiele von Elsa und ihrer Freundin Anna-Stina ungewohnt. Die beiden bauen gern Schneehöhlen und verbringen darin ihre Zeit, bis der Sauerstoff knapp wird. Aus Sicherheitsgründen müssen aber die Beine der Kinder immer draußen bleiben, damit diese schnell rausgezogen werden können, sofern die Höhle einstürzen sollte.