Bildgewaltig und packend

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mimitatis_buecherkiste Avatar

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Rentiere sterben, werden gequält und bestialisch zu Tode gefoltert, ihr Fleisch auf dem Schwarzmarkt verkauft. In der samischen Gemeinde weiß jeder, wer der Täter ist, auch im Dorf ist dies bekannt, aber die Polizei unternimmt nichts dagegen. Hunderte Anzeigen werden eingestellt, eine Ermittlung kommt nicht zustande. Die neunjährige Sámi Elsa ertappt den Täter auf frischer Tat, als dieser ihr Rentier tötet. Eingeschüchtert und mit dem Tode bedroht, schweigt das Kind und trägt diese Last fortan mit sich. Der Täter aber macht weiter, geschützt durch die Dorfgemeinschaft und die Untätigkeit der Polizeibehörde.

Elsa ist im ersten Drittel des Buches neun Jahre alt, der zweite Teil macht einen Zeitsprung von zehn Jahren und springt dann immer wieder Tage, Wochen, manchmal Monate nach vorne. Dies ist nie verwirrend, obwohl entsprechende Zeitangaben fehlen. Anhand der Geschichte ergibt es sich von selbst, wieviel Zeit vergangen ist. Der Schreibstil ist bildlich, aber nicht ausschweifend, zudem gibt es eine große Fülle an Informationen über die Samen (veraltet: Lappen), ein indigenes Volk im Norden Fennoskandinaviens. Die Autorin hat viele Begriffe aus dem Samischen übernommen, diese werden manchmal direkt übersetzt, meistens ist man aber auf das angehängte Glossar angewiesen. Im Laufe der Zeit behält man die wichtigsten Worte, sodass ich es nicht übermäßig störend fand, ab und zu blättern zu müssen. Es ist eine faszinierende Kultur, über die ich nun unbedingt mehr lesen möchte.

„Samisch zu sein bedeutete, seine Geschichte in sich zu tragen, als Kind vor dem schweren Rucksack zu stehen und sich zu entscheiden, ihn zu schultern oder nicht. Aber woher sollte man den Mut nehmen, sich für etwas anderes zu entscheiden, als die Geschichte der eigenen Sippe zu tragen und das Erbe weiterzuführen?“ (Seite 213)

Ich habe nicht erwartet, dass dieses Buch mich so unglaublich fesselt, habe nicht gedacht, dass mir Elsa und ihr Volk so ans Herz wachsen würden. Die Geschichte ist tragisch, ich habe eine große Palette an Gefühlen durchlebt, habe mit Elsa und ihrer Familie gelitten, ich war wütend, entsetzt und empört. Die Passagen über das Jagen und Töten der Rentiere haben mir zudem einiges abverlangt. Für die Dramatik waren diese sicherlich sehr wichtig und ebenfalls, um das Unrecht aufzuzeigen, das dort geschieht, beruht dieser Teil der Geschichte doch größtenteils auf Tatsachen, wenn auch Orte und Personen alleine der Phantasie der Autorin entsprungen sind. Dennoch war es für mich schwer zu ertragen, über die Tierquälerei zu lesen, den Tätern über die Schulter zu schauen, ihrer perversen Freude am Quälen und Töten beiwohnen zu müssen.

Der Autorin ist hier ein wahres Meisterwerk gelungen, für mich fast ein Kriminalroman, so spannend wurde es. Der Mix aus Familiengeschichte, Krimi und einem Buch über das Leben, die Sorgen und Nöte des samischen Volkes ist mehr als gelungen, für mich ein weiteres Highlight diesen Monat, wenn nicht sogar in diesem Jahr. Von mir gibt es fünf Sterne mit Sternchen und eine Leseempfehlung. Grandios!