Starkes Buch über das indigene Volk der Samen, melancholisch und perfekt für kalte Wintertage!

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lia48 Avatar

Von

(CN: Depressionen, Suizidalität, Suizid, Tierquälerei & Tötung von Tieren, Demenz)

„Es (das Rentier) schien sich zu bedanken, sah ihr in die Augen, und sie wurde fast schüchtern. Hatte man einmal in die Augen eines Rentiers geschaut und verstanden, dann wusste man, dass es keine andere Wahl gab, als genau dort zu sein.“

INHALT:
Die 9-jährige Elsa lebt mit ihrer Familie im Norden Europas im Siedlungsgebiet Sápmi. Sie gehören dem indigenen Volk der Samen (früher „Lappen“ genannt) an und leben von der Rentierzucht.
Als Elsa eines Tages allein zum Rentiergehege geht, muss sie mit Entsetzen feststellen, dass jemand ihr Rentierkalb Nástegallu umgebracht hat!
Sie erkennt den Täter mit dem blutigen Messer, welcher ihr grinsend mit dem Tode droht und ihr von da an noch viele Jahre das Leben schwer machen wird …

Schon die Kinder der Samen werden in der Schule oft ausgegrenzt und diskriminiert.
Von jungen Männern wird erwartet, dass sie die Rentierzucht der Eltern und die Traditionen einmal fortführen werden.
„Samisch zu sein bedeutete, seine Geschichte in sich zu tragen, als Kind vor dem schweren Rucksack zu stehen und sich zu entscheiden, ihn zu schultern oder nicht. Aber woher sollte man den Mut nehmen, sich für etwas anderes zu entscheiden, als die Geschichte der eigenen Sippe zu tragen und das Erbe weiterzuführen?“

Immer mehr Rentiere der Samen werden in der Gegend zu Tode gequält und umgebracht. Doch die Polizei, die lange Anfahrtswege und stets angeblich Wichtigeres zu tun hat, ordnet die schrecklichen Vergehen lediglich als Diebstähle ein, ohne weiter zu ermitteln.
Doch für viele Samen bedeuten die Rentiere ihr ganzes Leben!
Elsa hat es satt, dass die Polizei nichts unternimmt und niemand sie ernst nimmt! Schließlich gerät sie selbst in Gefahr …


MEINUNG:
Wie ihr meinen Content Notes zu Beginn entnehmen könnt, beinhaltet das Buch einige schwere Themen. Leichtigkeit, werdet ihr hier weniger finden.
Manchmal schrecke ich vor solchen Büchern zurück, doch hier bin ich froh, mich darauf eingelassen zu haben – ich hätte sonst eine Menge verpasst!

Die Stimmung in der Geschichte spiegelt Melancholie und manchmal etwas Schwermut wider.
Das Leben der Samen ist nicht einfach. Ihre Geschichte, die Unterdrückung und Diskriminierung haben Spuren bei den Menschen hinterlassen.
Und dann ist da noch das Gefühl von Wut und Machtlosigkeit. Denn noch immer erfährt das Volk Hass, Ausgrenzung, es wird nicht mal von der Polizei ernst genommen und die Tierquäler machen einfach weiter. Das ist beim Lesen nicht einfach auszuhalten!

Elsa tat mir daher sehr leid. Ihre Figur mochte ich besonders gerne und sie ist mir mit jeder Seite mehr ans Herz gewachsen. Sie liebt die Rentierzucht und hat als eine der wenigen Frauen vor, sich dieser auch später weiterhin zu widmen.
Von ihrem Kampfgeist für die Rentiere und auch für ihr Volk war ich begeistert!
Manchmal habe ich Probleme mit Schilderungen von Kindern in Romanen, da sie mir nicht altersgemäß oder authentisch genug erscheinen. Bei Elsa hat aber alles wie die Faust aufs Auge gepasst und ich war gerne an ihrer Seite!
Nach knapp 150 Seiten springt die Geschichte zehn Jahre in die Zukunft, sodass Lesende anschließend die erwachsenen Elsa durch das Buch begleiten. Auch dies habe ich gerne getan.

Schön fand ich die Naturbeschreibungen von Schnee, Eis, Kälte, gefrorene Seen und Rentieren. Sie wirken atmosphärisch und lassen einen regelrecht in diese winterliche, kalte Welt abtauchen.
Perfekt für kalte Wintertage!

Interessant war für mich, etwas über das Leben der Samen zu erfahren. Tatsächlich war mir der heutige Begriff für dieses indigene Volk, vorher nicht bekannt. Wieder etwas dazugelernt!
Das Buch enthält einige Wörter auf samisch (das Glossar gibt es hinten im Buch) und Einblicke in ihre Kultur und Traditionen.

Besonders eindrücklich und gleichzeitig erschreckend fand ich, wie die Menschen noch heute aufgrund ihrer Abstammung und ihrem Leben auf Diskriminierung, Unterdrückung und Stigmatisierung stoßen.
Dabei wurde ich außerdem darauf aufmerksam, dass die Suizidrate allgemein bei indigenen Völkern im Verhältnis erhöht ist, vor allem bei jungen Menschen. Laut Internet sehen Experten die Gründe dabei vor allem beim Verlust kultureller Identität (zu schnelle Anpassung an Veränderungen, z. B. waren manche Völker früher Nomaden und sind heute sesshaft; teilweise wurden sie von Regierungen gezwungen, sich dem modernen Leben anzupassen, usw.), Stigmatisierung, hoher Anpassungsdruck sowie Armut und Umweltbedrohungen.

Für die einen oder anderen Lesenden könnte das Buch thematisch etwas zu überladen wirken. Trotzdem hatte ich das Gefühl, dass die Geschichte genug Tiefe erreicht.
Für mich war es ein Highlight!


FAZIT: Ein außergewöhnliches, starkes Buch, melancholisch und perfekt für kalte Wintertage! Man lernt etwas über das indigene Volk der Samen. Durch die vielfältigen Themen und die starke Protagonistin dürfte es zahlreichen Leuten gefallen. Highlight, 4,5-5/5 Sterne und ganz viel Liebe für Elsa und die Rentiere!