Geh weiß nicht wohin und hole weiß nicht was

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mirabell Avatar

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Dieses Buch ist wirklich beeindruckend, spannend, gleichzeitig auch bedrückend und nervenaufreibend. In meist klaren, einfachen Sätzen werden die Erlebnisse eines Mädchens wiedergegeben, das keine Sicherheiten in seiner Welt kennt, ja nicht einmal seinen richtigen Namen. Die Erzählweise changiert zwischen einem auktorialen Erzähler, der zu den Geschehnissen zuweilen durch Hinzufügungen einen größeren Rahmen geben kann, und der Schilderung der Geschehnisse aus einer eher eingeschränkten Perspektive. Dieser Spagat zwischen subjektiver und allgemeiner Beschreibung ist mehr als gelungen und bringt den Leser selbst in die Situation der Protagonisten, der Kinder. Ein Leben vom einen in den anderen Tag, völlig mittellos, geprägt davon, wem man zufällig begegnet, mündet schlussendlich in gar keiner festklopfbaren Erkenntnis, sondern in dem Gefühl, aus Unwissenheit viele Chancen verpasst zu haben. Immer wenn sich der Gedanke, dass es bergauf ginge, auf leisen Pfoten nähert, wird er durch überstürzte Handlungen und Unwissen vollends zerschlagen.
Angesichts der aktuellen politischen Lage ernüchtert dieses Buch, da in der enthaltenen Geschichte aufgezeigt wird, was passieren kann, wenn Menschen, gerade Kinder mit einem so geringen Erfahrungsschatz, durch das Raster fallen, an keiner eingerichteten Stelle andocken können, durch Kommunikationsprobleme oder aber auch den unabsprechlichen Wunsch nach Freiheit oder der Angst vor sich ständig verändernden Bedingungen.
Sprachlich wie inhaltlich stellt diese Geschichte eine omnipräsente allgemeine Entwicklung knapp und prägnant, berührend und nachdenklich machend, an konkreten und damit greifbar werdenden Charakteren dar.
Auch die Ausführung des Buches ist sehr gut gelungen. Das blau eingebundene Hardcover-Buch mit in den Rücken eingeprägten Titel und hochwertigem, bedruckten Strukturpapier als Umschlag überzeugen in Haptik und Optik. Gleiches gilt für die Innenseiten, die in Papierwahl und Schriftgestaltung zunächst ein klassisches Literaturerlebnis versprechen. Einzig die nach innen eingerückten Seitenzahlen irritieren auf den ersten Blick – was das Lesevergnügen jedoch keineswegs schmälert.