Kinder auf der Flucht

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miro76 Avatar

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Ein kleines Mädchen taucht eines Tages in irgendeiner Stadt auf, bekommt zu essen, warme Kleider und verschwindet wieder. Nach einer Winternacht auf der Straße wird sie von der Polizei in ein Heim gesteckt. Man weiß nicht, welche Sprache sie spricht oder wie sie heißt.
Auch hier verschwindet sie wieder. Sie findet Freunde, verliert sie, findet sie wieder, erkrankt, ihr wird wieder geholfen, aber sie wird auch eingesperrt.
Auch hier kann sie fliehen. Doch kann sie ein Zuhause finden?
Gibt es einen Platz für namenlose Kinder wie sie?

„Die Freunde, das sind eine Horde von Zerlumpten, die bereits zu alt sind für Mitleid und Rührung.“ (S. 140)

Das Mädchen mit dem Fingerhut hat keinen richtigen Namen. Sie wird Yiza gerufen, aber wir erfahren, dass das kein Name ist. Vielleicht bedeutet es ‚Kleine‘. Ihr Freund schließt daraus, dass sie keine Eltern hat, denn Eltern lieben es, den Namen zu nennen.
Dadurch entpersonalisiert Michael Köhlmeier seine Figur und sie kann an die Stelle der unzähligen unbegleiteten Minderjährigen treten, die derzeit unser Land erreichen.
Köhlmeier berichtet schonungslos aus dem Alltag flüchtender Kinder. Hier wird nichts weichgezeichnet. Es ist unmöglich dieses kleine Buch zu lesen, ohne Mitleid zu empfinden. Der Schrecken sitzt mir noch immer im Nacken, wenn ich mir so ein Schicksal vorstelle. Dabei hat das Mädchen immer wieder das Glück, auf relativ freundliche Mitmenschen zu treffen.
Trotzdem macht das die Lektüre nicht einfacher.
„Das Mädchen mit dem Fingerhut“ ist ein kleines Büchlein, das aber umso schwerer wiegt angesichts der aktuellen Geschehnisse. Eine Geschichte, die dazu aufruft, die Augen nicht zu verschließen, vor all dem Leid um uns!