Leben am Rande der Gesellschaft

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"Das Mädchen mit dem Fingerhut" von Michael Köhlmeier beschreibt das Leben des kleinen Mädchen Yza, das sich, völlig auf sich allein gestellt, durchs Leben schlagen muss. Dabei lässt der Autor offen, wo das Kind lebt und warum es ohne richtige Familie dasteht. Zunächst gehört das Mädchen, von dem wir nicht einmal wissen, ob Yza sein richtiger Name ist, zu einer Gruppe von Erwachsenen, von denen sie einen Mann als ihren Onkel bezeichnet. Dieser verlässt sie aber, nachdem er sie zu einem Ladenbesitzer geschickt hat, von dem er annimmt, dass er sich den Winter über um das Mädchen kümmern wird. Yza verirrt sich jedoch in der Stadt und findet nicht mehr in den Laden zurück. Die Polizei greift die Kleine schließlich auf und bringt sie in ein Heim. Dort lernt sie zwei Jungen kennen, mit denen sie aus dem Heim ausreißt und sich fortan mit ihnen durchschlägt.
Der kurze Roman von Michael Köhlmeier ist ein sehr eindringliches Buch. Der Autor gibt uns das Gefühl, dass die Protagonistin der Geschichte überall unter uns leben könnte. Dabei ist es die Perspektivlosigkeit der Kleinen, die mich besonders berührt hat. Für sie und ihre Freunde gibt es kein "Happy End". Ihr Platz ist auf der Straße bei denen, die auch schon jegliche Lebensperspektive verloren haben. Der Autor scheint zu fragen: Gibt es für Menschen, die anders sind und die außerhalb der Gesellschaft leben, wirklich keine Möglichkeit, Liebe zu finden und wieder behütet zu werden? Michael Köhlmeier beschreibt die Geschichte der kleinen Yza in einer wunderschönen Sprache. Gefühlvoll schildert er die Ängste des Kindes, gleichzeitig aber auch ihren Willen zu überleben. Er hält unserer Gesellschaft gleichsam einen Spiegel vors Gesicht. Wir haben nur Mitleid, wenn es sich um kleine süße Geschöpfe handelt und selbst da handeln wir oft noch selbstsüchtig, wie z.B. die Renate in Köhlmeiers Roman, die nur hilft, um selbst nicht einsam zu sein.
Das Buch hat mich auch auf weitere Romane des Autors neugierig gemacht. Seine poetische Sprache hat mich irgendwie magisch angezogen. Sein Werk "Das Mädchen mit dem Fingerhut" habe ich gelesen, ohne es einmal aus der Hand zu legen. Ich werde auf jeden Fall an Yza denken, wenn mir das nächste Mal eine Bettlerin begegnet oder ich einen Obdachlose auf der Parkbank liegen sehe.Vielleicht schafft ein solches Buch es dazu beizutragen, dass unsere Welt wieder etwas menschlicher wird. Ich glaube, das möchte Michael Köhlmeier erreichen.