Leider allzu aktuelles Märchen

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reg1ne Avatar

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Dies schmale Buch erzählt die Geschichte eines kleinen Flüchtlingskindes, dass ohne Eltern und Geborgenheit bei einem "Onkel" lebt. Dieser schickt sie morgens in einen Laden am Markt, wo sie nach einem kurzen Moment der Irritation geduldet und mit Nahrung versorgt wird. Der Onkel pfeift abends und sie verschwindet wieder bis zum nächsten Morgen. Alles, was der Onkel ihr beigebracht hat, ist zu schreien, wenn das Wort Polizei fällt. Ansonsten bleibt das Kind stumm, denn es spricht die Sprache dieses westlichen Landes nicht. Eines Abends bleibt der Pfiff aus und das Mädchen verläuft sich in der großen Stadt im Winter, schläft in einem Container und wird schließlich doch der Polizei und einem Heim übergeben. Auch hier bleibt es emotional sich selbst über lassen, lediglich körperlich versorgt. Sie tut sich mit zwei Jungen zusammen und flieht aus der Einrichtung . Sie ist zu jung, um die Konsequenzen richtig zu erfassen, der Junge verfolgt seine eigenen Ziele und nimmt sie letztendlich nur mit, weil sie klein genug ist, um in Kellerfenster einzusteigen. In einem Haus geschieht dann das Unfassbare.

Der Titel und auch das Bild auf dem Cover erinnert sehr stark an das Märchen vom Mädchen mit den Schwefelhölzern. Auch unsere Protagonistin wirkt tragisch entkoppelt und regelrecht unsichtbar der Gesellschaft gegenüber. Auch wenn sie anfangs noch tagsüber einen Unterschlupf in einer Art Tapasbar findet und später in einem Heim unterkommt, bleibt die Stimmung ihr gegenüber distanziert. Keiner kümmert sich wirklich um das Kind, versucht es zu verstehen, nimmt es in den Arm.
Das Buch erscheint zu einer Zeit, in der Flüchtlinge das Thema Nummer eins sind. Besonders allein reisende Kinder und Jugendliche stehen im Fokus, aber auch hier ist die Gesellschaft und die Politik überfordert.
Mich hat das Buch sehr bewegt, die Sprache ist einfach gehalten und gerade dadurch fühlt man sich selbst als seltsam distanziert und gleichtzeitig als hilfloser Beobachter. Und man fragt sich, ob man selbst zum Hinschauen bereit ist, oder bereits durch die Bilderflut zu abgestumpft.