Michael Köhlmeier - Das Mädchen mit dem Fingerhut

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Mit dem gerade mal 140 Seiten starke Buch "Das Mädchen mit dem Fingerhut" erzählt Michael Köhlmeier eine fiktive, dennoch aktuelle Geschichte. Es geht um ein kleines Mädchen, erst namenlos, dann Yiza genannt. Yiza ist sechs Jahre alt, wird anfangs von ihrem Onkel morgens auf den Markt gebracht, wo man ihr zu essen gibt und Unterschlupf gewährt. Der Onkel holt sie ab, indem er pfeift und sie verschwindet durch die Hintertür. Als jedoch der Fischhändler von der Polizei redet, schreit Yiza. So hat es ihr der Onkel beigebracht. Als der Onkel eines Tages nicht erscheint, macht sich Yiza auf den Weg durch die für sie fremde Großstadt.
Sie schläft im Müllcontainer, ernährt sich von Resten. Sie wird aufgegriffen und in ein Heim gebracht, wo sie von der Schwester gleich zu ihrem Liebling ernannt wird. Gutes zu tun, fällt der Schwester besonders leicht, da man ihr sagte, das Kind verstehe die Sprache nicht (S. 30)
Mit den beiden Heimkindern Schamhan und Arian flieht Yiza. Von nun an leben sie von Tag zu Tag, stehlen und helfen sich gegenseitig. Yiza ist nicht mehr allein Doch eines Tages werden sie nach einem Einbruch gefasst. Schamhan gerät auf dem Revier in eine Schlägerei und wird dabehalten.
Yiza erkrankt und wird von einer Frau gepflegt, die es anfangs gut mit ihr meint, doch Yiza immer mehr in Besitznahme nimmt.
Mit kurzen, einfachen Sätzen schildert Michael Köhlmeier das Leben am Rande, ohne dabei rührselig zu werden.
Der Titel mutet märchenhaft an, doch das Schicksal des Mädchens entspricht dem keineswegs. Es ist eine Geschichte über Sprachlosigkeit, Entfremdung, Verwahrlosung, falscher Hilfsbereitschaft und Unverständnis. Viele Fragen bleiben offen: woher kommt das Kind, wer und wo sind die Eltern und warum sind die Eltern nicht bei dem Mädchen.
Yiza könnte für die vielen Flüchtlingskinder und deren Schicksal stehen, die zur Zeit in Europa unterwegs sind.