Rezension zu "Das Mädchen mit dem Fingerhut"

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
lisibooks Avatar

Von

Ein kleines Mädchen wird von seinem "Onkel" regelmäßig allein fortgeschickt, um in einem kleinen Laden um Essen zu betteln. Die Sechsjährige kennt die Stadt nicht, in der sie sich aufhält, und versteht niemanden, weil sie die fremde Sprache nicht spricht. Nur ein Wort, auf das sie achten muss, hat ihr der Onkel eingeschärft: Polizei. Sollte sie dieses Wort einmal hören, solle sie sofort anfangen zu schreien. Eine Weile geht das Mädchen in dem Laden ein und aus, doch eines Tages steht ihr Onkel nicht wie erwartet an der verabredeten Stelle, um die Kleine abzuholen. Nun muss sie sich allein durchs Leben schlagen.

Wenn man von so traurigen Augen auf dem Cover angeblickt wird, muss man näher hinschauen. Das kleine Mädchen, später Yiza genannt, weckt sofort einen Beschützerinstinkt und von der ersten Seite an wird man von seinem Schicksal nicht kaltgelassen. Beim Lesen stellt sich keine Wohlfühlstimmung ein und man möchte dennoch das schmale Buch bis zum Ende nicht mehr aus der Hand legen.

In einer einfachen Sprache - da aus Yizas Sicht und der zweier weiterer Kinder erzählt - entsteht eine bedrückende Stimmung, die den ganzen Roman über anhält. Es tut einem so leid zu sehen, wie schlecht es der Kleinen geht und wie viel sie ertragen muss. Dabei weiß man so gut wie nichts von Yiza, nicht woher sie kommt, warum sie niemanden hat, der ihr hilft, was mit ihrem Onkel passiert ist, oder warum sie solche Bedenken hat, sich Erwachsenen anzuvertrauen. All dies bleibt den eigenen Gedanken überlassen.

Michael Köhlmeier hat einen Roman geschrieben, der in diese Zeit passt. Hat in leisen Tönen eine zu Herzen gehende Geschichte entwickelt, die leider so oder ähnlich passieren könnte. Die kurze Geschichte zeigt, wie viel Überlebensmut in Kindern steckt und wie diese über sich hinauswachsen können und einander helfen.

"Das Mädchen mit dem Fingerhut" ist kein einfacher, kein Wohlfühlroman. Aber er wirkt auch nach dem Lesen nach und gibt aus Sicht des Kindes einen anderen Blickwinkel auf ein aktuelles Thema.