Unverstanden

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
prinzessinbutterblume Avatar

Von

Niemand weiß, wo das Kind herkommt oder was es will. Es taucht auf und verschwindet. Es spricht nicht, fängt an zu schreien, wenn es das Wort „Polizei“ hört und weiß nicht, wie es heißt. In Ermangelung eines Namens wird es Yiza genannt. Yiza trifft auf zwei Jungen, den Großen und den Freund, denen sie sich anschließt und mit denen sie sich gemeinsam auf die Suche nach einem Winterquartier macht.

Niemand im Buch außer dem Großen versteht Yizas Sprache und da das Buch aus ihrer Sicht geschrieben ist, versteht auch der Leser nicht viel mehr. Das macht aber überhaupt nichts. Michael Köhlmeier schafft es durch Gesten, die Situation und Gedankengänge, dass der Leser genug versteht und doch wieder nicht alles. Gerade dieses Unbekannte und Unverstandene macht einen ganz besonderen Reiz des Buches aus. Wer jedoch erwartet, dass die Rätsel am Ende des Buches beleuchtet werden, der könnte enttäuscht werden. „Das Mädchen mit dem Fingerhut“ ist, wie die Seitenanzahl schon vermuten lässt, eine Kurzgeschichte. Yiza taucht aus dem Nirgendwo auf und verschwindet auch wieder auf genauso undurchsichtigen Wegen.
Auf der einen Seite ist das nicht schlimm, da man beim Lesen schon irgendwie damit rechnet, dass sich nicht alles aufklären wird, aber dass wirklich alles im Dunkeln bleibt, war für mich dann doch ein bisschen enttäuschend.

Besonders gut hat mir die Sprache gefallen. Michael Köhlmeier verwendet kurze, klare Sätze. Er hält sich nicht mit überflüssigen, handlungsdehnenden Beschreibungen auf, sondern bleibt stringent bei der Situation. Der Stil passt einfach zu Yiza und lässt sie dadurch umso lebendiger wirken. Dem Autor gelingt es einmalig die Einsamkeit, die Fremde und Verlorenheit der Kinder zu vermitteln. Man verspürt Mitleid und möchte am liebsten helfen, aber gleichzeitig ist es ihm auch gelungen, jegliche Rührseligkeit von den Seiten fernzuhalten. Diese Nüchternheit tut der Geschichte, in meinen Augen, sehr gut.

Insgesamt hat mir dieses Büchlein einen schönen Lesenachmittag beschert, an dem ich mich gut unterhalten fühlte. Eine fesselnde Geschichte, der jedoch, für meinen Geschmack, ein bisschen weniger Undurchsichtigkeit, gut getan hätte.