Verloren und fremd in einer unbekannten Umgebung

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In einer großen Stadt in Westeuropa taucht ein sechsjähriges Mädchen auf. Seinen Namen sagt es nicht, es ist zu klein, um zu wissen, woher es kommt und warum es hier ist. Das namenlose Kind weiß lediglich, dass ein „Onkel“ es hierhergeschickt hat, mit dem Auftrag, zu schreien, wenn jemand die Polizei erwähnt. Das tut die Kleine, und während sie tagsüber bei einem Händler unterkommt, trifft sie nachts ihren „Onkel“. Doch dann verliert sie ihn, verläuft sich auf der Suche nach ihm und landet im Heim. Dort schließt sie sich zwei Jungs an, die sich auf die Flucht machen und sie mitnehmen. Wieder ist sie unterwegs, versteckt sich, weicht aus, versteht nur den einen der beiden Jungen. Sie müssen sehen, dass sie nachts irgendwo unterkommen und tagsüber etwas zu essen und Wärme bekommen auf ihrem Weg zu einer verlassenen Villa.
Es ist die Geschichte von Flüchtlingskindern auf der Flucht, auf der verzweifelten Suche nach einem besseren Ort. Sehr eindrucksvoll wird die Geschichte aus der Sicht des Mädchens erzählt, das kaum etwas von seiner Umgebung versteht und sich trotzdem irgendwie zurechtfinden muss. Dazu passt, dass allen drei Kindern keine Nationalität zugeordnet wird, weil sie sonst abgeschoben werden könnten oder weil keiner sie weiß, wie bei dem namenlosen Mädchen, das irgendwann aus seiner Umwelt den Namen Yizha erhält. Die Verzweiflung, die durch die Seiten der Geschichte schimmert, ist kaum auszuhalten. Man liest die Geschichte mit den Augen einer Sechsjährigen, immer mit den Gedanken eines Erwachsenen, der von den derzeitigen Flüchtlingsströmen Bescheid weiß. Sachlich und in kurzen Sätzen schildert der Autor die Geschichte, mit viel Raum für den Leser, eigene Bilder entstehen zu lassen. Doch nicht immer haben meine Bilder wohl zu den Vorstellungen des Autors gepasst, denn nicht alle Handlungsweisen der Kinder waren für mich verständlich. Das mag wohl ein Stück weit Absicht gewesen zu sein, denn die Kinder bewegen sich in einer Welt, in der vieles für sie unverständlich bleibt, von der Sprache bis hin zu den Verhaltensweisen der Erwachsenen, dennoch fehlt mir etwas in dieser Geschichte.
Eine traurige, aufrüttelnde Geschichte, die überall passiert sein könnte. Sie hinterlässt den Leser mit wenig Hoffnung auf die Zukunft der Kinder, und wie viele Kinder ohne Zukunft sind derzeit unterwegs und auf der Flucht, verloren und fremd in einer für sie unverständlichen Umgebung? Michael Köhlmeier hat ein äußerst aktuelles Thema prägnant auf den Punkt gebracht, sein Buch ist deshalb sehr zu empfehlen.