Blutleer und fad

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lesestress Avatar

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»Wer je einen Film über Zeitreisen gesehen, ein Buch über Zeitreisen gelesen oder in einem verspäteten öffentlichen Verkehrsmittel dissoziiert und über das Konzept von Zeitreisen nachgedacht hat, weiß, dass man, wenn man den physikalischen Aspekt zu begreifen versucht, schnell in totale Verwirrung gerät. Wie funktioniert es?«

Kaliane Bradleys Debüt »Das Ministerium der Zeit« verspricht auf den ersten Blick viel: eine clevere Mischung aus Zeitreise, britischem Regierungsthriller und interkultureller Liebesgeschichte. Doch die eigentlich anregende Idee, entpuppt sich schnell als zähes, überfrachtetes und oft langatmiges Textkonstrukt mit merkwürdigen Metaphern. Dabei ist die Prämisse durchaus reizvoll: In einem futuristischen Großbritannien wird ein streng geheimes Regierungsprojekt ins Leben gerufen, um historische Persönlichkeiten in die Gegenwart zu bringen und sie für nationale Zwecke einzusetzen. Die namenlose Ich-Erzählerin wird mit der Betreuung des ursprünglich im 19. Jahrhundert lebenden Polarforschers Graham Gore betraut. Sie soll ihm den Übergang ins moderne Leben erleichtern, denn er kennt weder Toilettenspülungen, noch Fahrräder, Autos oder das Internet …

So weit, so vielversprechend. Doch Bradleys Umsetzung leidet massiv unter der ausufernden Erzählstruktur, die sich in zahllosen inneren Monologen, Abschweifungen und kryptischen Beschreibungen verliert. Die Geschichte tritt über weite Strecken auf der Stelle. Die zentrale Idee – Menschen aus der Vergangenheit im Kontext moderner politischer Machtverhältnisse – wird zwar immer wieder angedeutet, aber nicht nachhaltig weiterentwickelt. Stattdessen verliert sich der Roman in mühsam ausgebreiteten Gedankengängen, die weder Handlung noch Figuren spürbar voranbringen. Besonders frustrierend war für mich die enorme Langatmigkeit des Romans. Kapitel vergehen, ohne dass sich nennenswerte Entwicklungen ereignen. Auch die Beziehung zwischen den Protagonist:innen soll vielleicht von feinen Zwischentönen leben, wirkte auf mich aber nur blutleer. Emotionale Tiefe wird nur behauptet, nicht erzeugt; die Erzählung kreist um sich selbst.

Die satirisch-politischen Elemente (etwa die britische Bürokratie, Identitätspolitik oder auch die postkoloniale Perspektive) hätten das Buch vielleicht retten können – wenn sie konsequent eingesetzt worden wären. Doch statt kritischer Zuspitzung oder beißender Ironie liefert Bradley auch hier nur seltsame Andeutungen, die zu wenig Biss entwickeln. Die Fragen, die »Das Ministerium der Zeit« aufwirft, wirken am Ende eher aufgesetzt als durchdrungen: zu ermüdend, zu langatmig und zu fad. Keine Leseempfehlung!

Aus dem Englischen übersetzt von Sophie Zeitz.