Kleines Überraschungsei

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
tausendmund Avatar

Von

Für Texte, die Zeitreisen nicht (nur) als Sci-Fi-Setting behandeln, bin ich ja immer zu haben. Denn sanfte Realitätsverschiebungen in Romanen bieten immer die Chance für die Auseinandersetzung mit Gesellschaft auf philosophischer/historischer/politischer Ebene. Und mal ehrlich: Zeitreise-Storys sind auch einfach verdammt cool.

Ihrem Debütroman, der für den diesjährigen @womensprize for Fiction gelonglisted war, stellt Kaliane Bradley eine Protagonistin zur Seite, die im London einer nicht näher bestimmten Zukunft als einfache Regierungsangestellte tätig ist, bevor sie nun für ein streng geheimes Projekt anheuert. Und wow, diesem mysteriösen Ministerium ist das Unglaubliche gelungen: Es hat Menschen aus der Vergangenheit in die Gegenwart transportiert! So muss sich die junge Britin also von jetzt auf gleich als eine Art Integrationshelferin zum Dienst melden, um den aus dem Jahre 1847 stammenden Commander Graham Gore an das moderne Leben zu gewöhnen. Und obwohl niemand so genau weiß, welcher Motivation das Ministerium der Zeit folgt, wird schnell klar: Altruismus scheint es nicht zu sein…

Bradley bindet uns mit dieser Geschichte einen bunten Wildblumenstrauß aus vielen Themen, wie bspw. den emotionalen wie auch verwaltungstechnischen Umgang mit Migrant*innen, die Klimakrise, Zugehörigkeit und auch Race (die Erzählerin ist kambodschanischer Abstammung, wird aber als weiß gelesen). Dies verbindet die Autorin mit einem ebenso wilden Mix aus historischer Fiktion (den Polarforscher Graham Gore gab es wirklich), Geheimagenten-Action und Romance. Und auch wenn es dem Roman dadurch hier und da Tiefe fehlt (weil es schlicht nicht genug Platz gibt, um einzelne Aspekte auszudiskutieren), ist er ausgesprochen unterhaltsam, auch witzig, kurzweilig und bringt Spiel, Spaß und Spannung (Schokolade müsst ihr selbst beisteuern).

Mein Tipp für alle, die sich fix aus einer Leseflaute retten wollen!