solide Unterhaltung - Junge von damals trifft Mädchen von heute

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kerstin aus obernbeck Avatar

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Das Ministerium der Zeit / Kaliane Bradley

Eine junge Frau, deren Namen in der gesamten Geschichten nicht genannt wird, die bisher als Übersetzerin tätig war, bekommt einen Job in einem geheimnisvollen Ministerium.

>Ihre Chefin zuckte die Schultern. „Zeitreisen“, sagte sie, als redeten wir von Kaffeemaschinen. „Willkommen im Ministerium.“<(S.13)

Dem Geheimdienst und dem Ministerium ist es mit einem Portal gelungen, Menschen, die sich in der Vergangenheit in einer tödlichen Situation befunden haben, ins London der Gegenwart zu bringen; die Aufgabe der jungen Frau ist es als sogenannte „Brücke“ einen dieser Menschen beim Einleben zu begleiten.

Thomas Cardingham, ein Teilnehmer der Schlach von Naseby und Margaret Kremble, die zur Zeit der großen Pest in London gelebt hat, kommen aus dem 17. Jahrhundert, Anne Spencer erlebte 1793 die Französische Revolution und Arthur Reginald-Smyth hat im 1. Weltkrieg gekämpft. Sie bekommen jeweils eine eigene „Brücke“, die junge Frau wird sich um Graham Gore, Commander der Royal Navy und Polarforscher kümmern, der 1847 als Teilnehmer der Franklin-Expedition im Alter von 37 Jahren verstorben ist.

„Die Tatsache, dass ich mit einem viktorianischen Marineoffizier zusammenlebte, war schon verrückt genug.“ (S.119)

Aber nicht nur, dass sie ihm die Geschichte, die seit seinem Aufbruch in die Arktis passierte, nahebringen soll, veränderte Rollenbilder, technischer Fortschritt und moderne Kommunikation sind ebenfalls Teil des Einlebens – und auch wenn sich über all die Jahre viel verändert hat: die Liebe ist die größte Katastrophe von allen!

„Falls du jemals geliebt hast, bist du für den Rest deiner Tage eine Liebende.“ (S.280)

Ein schöner Satz aus dem Roman, der zum Glück nicht herzschmerzig ist - und das ist gut so; gleichwohl ich auch die "spicy Szenen" nicht gebraucht hätte, die Geschichte hätte auch ohne funktioniert.
"Funktionsstörungen" gab es für mich auch an der einen oder anderen Stelle, an denen mich Formulierungen und Sätze sehr irritiert haben, insbesondere die Bezeichnung „Expats“ für die Menschen aus der Vergangenheit hat mir nicht gefallen.

Der Roman ist vielschichtig, die Berichte über die Erfahrungen, die die Zeitgereisten beim Eingewöhnen machen und der Lovestory-Handlungsstrang lesen sich unterhaltsam, spannend wird es, als die Frage aufkommt, ob das Zeitreiseportal Wissenschaft oder Waffe ist - und als ein Kollege / Agent verschwindet und Graham, Arthur und Co. in Gefahr geraten.

In Rückblenden wird von der Franklin Expedition und den Erlebnissen von Graham Gore erzählt, den es tatsächlich gegeben hat. Das gefällt mir richtig gut.

„Alles, was jemals geschehen ist, hätte verhindert werden können, und nichts davon wurde verhindert. Das Einzige, das wir verändern können, ist die Zukunft. Glaub mir, wenn ich sage, das habe ich von der Zeitmaschine gelernt.“ (S.238)

Kaliane Bradley erzählt eine Geschichte, die situationsbedingt komische Momente hat, aber auch zum Nachdenken anregt – und natürlich ist sie auch für’s Herz (Stichwort: Junge trifft Mädchen)
Spannend wird es ebenfalls, denn so ein Portal bringt auch Gefahren mit sich, Waffe oder Wissenschaft, das ist hier die Frage!

Mich hat das Buch solide unterhalten.