Starke Idee, oberflächlich erzählt

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mariehal Avatar

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Das Ministerium der Zeit beginnt mit einer faszinierenden Prämisse: Ein viktorianischer Polarforscher wird ins London des 21. Jahrhundert katapultiert, wo er sich nicht nur mit Technik und Zeitgeist, sondern auch mit einer jungen Ministeriumsmitarbeiterin auseinandersetzen muss. Das klingt nach einer charmanten Mischung aus Zeitreise, Culture-Clash-Komödie und Liebesgeschichte. Und genau darin liegt auch der Reiz dieses Debütromans – leider aber auch sein größtes Problem.

Die Grundidee ist originell, die ersten Begegnungen zwischen Commander Graham Gore und der Erzählerin sind pointiert und voller augenzwinkernder Beobachtungen über unsere Gegenwart. Besonders die komischen Szenen – etwa beim Versuch, moderne Technik zu verstehen – sorgen für kurzweilige Unterhaltung. Doch trotz der vielen cleveren Einfälle verliert sich der Roman schnell in der Breite seiner Themen: Identität, Fortschritt, Bürokratie, Feminismus, Klimakrise, Verlust – alles wird angerissen, nichts wirklich vertieft.

Dabei hätten gerade die anderen Zeitreisenden, die im Roman, aus meiner Sicht zu kurz auftauchen, enormes erzählerisches Potenzial geboten. Ihre Geschichten bleiben jedoch blass und unterentwickelt – eine verpasste Chance. Auch die Liebesgeschichte wirkt streckenweise eher skizziert als spürbar. Und wer sich vom Klappentext auf einen „witzigen Roman“ einstellt, wird vermutlich enttäuscht: Der Humor ist eher dezent und selten zentrales Stilmittel.

Besonders enttäuschend war jedoch das Ende: Es wirkte überhastet, bot wenig Auflösung und warf mehr Fragen auf, als es beantwortete – was den Eindruck verstärkt, dass hier zu viele gute Ideen nicht zu Ende gedacht wurden.

Fazit: Das Ministerium der Zeit bietet eine starke Ausgangsidee und charmante Momente, bleibt aber in der Umsetzung zu oberflächlich. Mit mehr Tiefe, Fokus und einem stimmigeren Abschluss hätte daraus ein ganz besonderer Roman werden können.