Die Erbin muss ermitteln

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evaczyk Avatar

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Mit diesem Satz des Klappentextes war meine Neugier auf Kristen Perrins Cozy-Krimi "Das Mörderarchiv" geweckt: "Tante Francis dachte immer, dass sie eines Tages umgebracht wird. Sie hatte recht." Ein Verstoß gegen alle Krimi-Regeln und Spoiler-Verbote? Keineswegs, denn es bleibt genügend Rätselstoff übrig, nicht zuletzt dank Tante Francis, die ihre Großnichte Annie auf Mörderjagd schickt.

Kleines Problem für Annie, eine bisher gescheiterte Autorin von Kriminalromanen: Sie ist zwar mit ihrer Boheme-Mutter im Londoner Stadthaus von Frances aufgewachsen, hat die alte Dame aber nie persönlich betroffen. Eigentlich wollte Annie auf Einladung von Tante Frances´ Anwalt nur für einen Tag ins lauschige Dörfchen Castle Noll in der Grafschaft Dorset fahren, um dort über eine Testamentsänderung in Kenntnis gesetzt zu werden. Doch dann wird die Verlesung des Testaments schneller nötig als gedacht, denn der Besuch bei der Tante führt zur Entdeckung der Leiche....

Annie hat die Tante zwar nie lebend getroffen, kennt jedoch die Familiengeschichte: Im Alter von 17 Jahren erfuhr Frances bei einem Jahrmarktbesuch von einer Wahrsagerin, dass sie ermordet werde. Anders als ihre beiden besten Freundinnen nahm sie die Prophezeiung sehr ernst und ermittelte gewissermaßen in eigener Sache: Verdächtige, Motive, Gelegenheiten?

Der Besuch in Castle Knoll führt nicht nur zu Begegnungen mit bislang unbekannter angeheirateter Verwandtschaft, sondern auch auf die Spuren von Francis´ Vergangenheit. Denn Annie entdeckt das Tagebuch der Großtante und stellt fest, dass es nicht nur die Prophezeiung war, die die Tante recherchieren ließ. Auch Annie muss ermitteln - nicht nur, um an eine großzügige Erbschaft zu gelangen, sondern auch, weil sie zunehmend fasziniert von der Geschichte der Großtante ist. Plötzlich ist auch ihre eigene Familiengeschichte in einem völlig neuen Licht zu sehen.

Viel mehr soll an dieser Stelle nicht verraten werden, nur dies: "Das Mörderarchiv" ist ein klassischer Cozy-Krimi in britischer Tradition, auch wenn die Autorin aus den USA stammt (aber offenbar dem Charme des ländlichen Englands erlegen ist). Es gibt schrullige Charaktere, Klassenunterschiede, eine Zeitreise in die späten 1960-er Jahre und spannend-humorvolle Unterhaltung. Ein nicht sonderlich blutiges Lesevergnügen für alle, die Krimis eher gemütlich mögen.