Knallige Bonbonverpackung mit eher moderatem Inhalt

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
singstar72 Avatar

Von

Der deutsche Verlag hat sich die größte Mühe gegeben, alles aus dem eher moderaten Krimi herauszuholen, was nur ging. Knallige Bonbonverpackung, flottes Design (das von dem nüchternen englischen Original deutlich abweicht), Trailer, und eben Klappentext, Titel und Vermarktung. Dem aufmerksame Leser entgeht jedoch nicht, dass hier eher "aufgehübscht" werden sollte. Kein schlechtes Buch, das nun nicht - aber doch eben anderes, als suggeriert wird.

Die Grundidee ist gut. Eine exzentrische, reiche Frau war zeit ihres Lebens von der Idee besessen, dass sie eines Tages ermordet werden würde. Und zwar aufgrund einer alten Weissagung auf einem Jahrmarkt! Frances stirbt tatsächlich gewaltsam, und hinterlässt per Testament all ihr Vermögen demjenigen, der den Mord aufklärt. Ansonsten würde der Besitz verscherbelt und aufgeteilt.

Es schwächelt allerdings schon beim Titel. Es geht eben NICHT um das Archiv von Frances, nur sehr am Rande! Die Hauptrolle spielen ihre Großnichte Annie in der Gegenwart, und Auszüge aus ihrem Tagebuch von 1966. Der Originaltitel ist da wesentlich zutreffender, "How to Solve Your Own Murder" ("Wie man seinen eigenen Mord aufklärt"). Schade ist das schon - ich hatte viele Szenen erwartet, in denen beschrieben wird, wie die schrullige Frances ihre Nachbarn ausspioniert. Doch leider nein.

Von einem Krimi erwarte ich zudem definitiv mehr Spannung. Dies hier war eher ein netter Dorfroman à la Inspector Barnaby. Die "Ermittlungen" von Annie waren sehr unbeholfen, sie stolperte vielmehr kopflos in der Handlung herum. Oft hätte ich sie schütteln mögen, da sie das eine denkt, dann aber völlig ungeplant das andere tut!

Die Verwandtschaftsverhältnisse haben mich teilweise überfordert - es hätte statt den knalligen Bildchen vielmehr ein Stammbaum ins Cover gehört. Oft musste ich zurückblättern und nachsinnen - wer war das jetzt noch mal? Genauso ging es mir mit dem letztlichen Täter!

Mit der Übersetzung bin ich auch nicht recht glücklich. Oft erschien sie mir unangemessen flapsig, teilweise gar peinlich. Hier wäre ein Blick ins Original zweifellos hilfreich. Fast ein Ärgernis waren jedoch zwei bis drei inhaltliche Fehler! An verschiedenen Stellen des Buches werden sich widersprechende Dinge behauptet. (Ein Foto von 1966 hätte z. B. gar nicht existieren dürfen, weil sich die Personen laut Tagebuch zu dem Zeitpunkt gar nicht gesehen haben.) In einer längeren Dialogpassage werden die Redebeiträge den beiden Gesprächspartnern nicht immer korrekt zugeordnet, widersprechen sich. Es gibt verschiedene Versionen vom Ableben ehemaliger Gattinnen, etc. ...

Und nachdem das Buch längere Zeit eher vor sich hin plätscherte, wurde die Auflösung dann ziemlich übers sprichwörtliche Knie gebrochen. Von "Mitraten" konnte hier bei weitem keine Rede sein!

Ich wüsste wirklich nicht, wem ich dieses Buch empfehlen sollte. Eine gute Grundidee ist meiner Ansicht nach auf halber Strecke stecken geblieben. Am liebsten würde ich 2,5 Sterne vergeben.