Muss man jemanden mögen, nur weil man mit ihm verwandt ist?

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wienerin Avatar

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Das ist einer der zentralen Fragen dieser Geschichte und die Antwort ist: Nein, muss man nicht.

Leo, Jack, Bea und Melody Plumb sind Geschwister, die nicht nur ihre verwandtschaftliche Bande einen sondern auch die Gewissheit, dass mit dem 40. Geburtstag der Jüngsten von ihnen, nämlich Melody, ein Batzen Geld auf sie wartet, ein Fonds, der von ihrem Vater angelegt worden ist und den sie das „Nest“ nennen.

In Erwartung dieses Betrages wurden von den Geschwistern bereits weit vor der Zeit Pläne gefasst oder umgesetzt und ja, wurde auch zu viel Geld ausgegeben, denn der anstehende Geldregen sollte alles wieder ausgleichen und die überzogenen Konten wieder sanieren.

Da aber geschieht das Unfassbare, Unerwartete. Vater Plumb hat seinerzeit der Mutter der vier Geschwister mit einer Klausel das Recht eingeräumt, in einem Notfall über das „Nest“ zu verfügen und genau dieser Notfall tritt nach Ansicht der Mutter ein, als der Älteste der Geschwister, der charismatische Leo, einen schweren Autounfall verursacht und man, um zu vertuschen, dass er diesen Unfall alkoholisiert und vollgedröhnt mit Kokain verursacht hat, einen Großteil des Geldes dazu braucht, um die bei diesem Unfall im Auto von Leo mitgefahrene Latina zum Schweigen zu verpflichten.

Dass diese Schmälerung des zu erwartenden Geldregens bei den restlichen Geschwistern auf keine Gegenliebe stößt, ist verständlich, zumal diese sich teilweise in Finanznöte manövriert haben.

Da ist zunächst Jack, der Besitzer eines Antiquitätenladens, der immer im Schatten seines älteren Bruders Leo stand, dann Bea, eine Schriftstellerin, der nach einem kometenhaften Anfangserfolg einfach nichts mehr gelingen will und schließlich noch die Jüngste, Melody, ein Mauerblümchen, unsicher und ängstlich, Hausfrau und Vollblut-Mutter von Zwillingen.

Die Geschichte beginnt mit dem Treffen der Geschwister nach Leos Entlassung aus der Entzugsklinik, um zu besprechen, wann und wie Leo das Geld zurückzahlen soll.

In der Geschichte, die sich in die Kapitel „Snowtober“, „Der Kuss“ und „Findet Leo“ gliedert, erzählt von den Versuchen Leos, nach der Entzugsklinik wieder (vergeblich) beruflich Fuß zu fassen und den Geldbetrag wieder an das „Nest“ und somit seine Geschwister zurückzuzahlen und vom Verlust von Illusionen und damit verbunden einem Neubeginn bei den restlichen Geschwistern Plumb.

Diese vier so unterschiedlichen Charaktere und ihre Lebensentwürfe, die Art, wie die einzelnen Geschwister mit der Realität des Verlustes ihrer „Lebensversicherung“ und letztendlich miteinander und mit sich selbst umgehen, werden von Cynthia d’Aprix Sweeney lebensnah und kurzweilig geschildert und man meint, diese vier förmlich vor sich zu sehen, während man schmunzelnd oder manchmal auch befremdet ihre Geschichten liest.

Sätze wie „Sie trug sein Verlangen mit sich herum wie eine magische Münze, die sie jederzeit ausgeben konnte, sobald sie bereit dafür war.“ oder „Dauernd verließen Menschen einander, ohne die Höflichkeit zu besitzen, wirklich zu verschwinden. Sie gingen, aber sie gingen nicht wirklich, sondern schlichen weiter herum und erinnerten einen ständig daran, was hätte sein können oder sollen.“ finden sich zu Hauf in diesem Roman und haben mich beim Lesen berührt.

Und zu guter Letzt muss man auch noch die Covergestaltung der deutschen Übersetzung lobend erwähnen. Vier Singvögel – einer für jeden von den Plumb-Geschwistern – von der schönen Bea in ihrem gelben Kleid bis hin zur unscheinbaren Melody (der Sperling) vor einem taubenblauen Hintergrund. Auch wenn man das Buch nicht lesen mag (unwahrscheinlich aber möglich) ist diese Buch mit seinem außergewöhnlich schönen Cover eine Zierde für jede Wohnung.

Fazit: Lesenswert.