Eine Familiengeschichte in literarischen Bildern erzählt

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maesli Avatar

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Eine Wohnung mit 70 m2 im russischen Kurort Kasan ist der Dreh- und Angelpunkt dieses besonderen Romans, für den die Autorin und bekannten Schauspielerin Valery Tscheplanowa aus dem großen Topf der eigenen Familiengeschichte gegriffen hat. In „Das Pferd im Brunnen“ schreibt sie von ihrer Urgroßmutter Tania, ihrer Großmutter Nina, ihrer Mutter Lena, ihrem Onkel Mischa und von der Abwesenheit der Väter. Es ist die Erzählung einer in Stücke geschlagene Familie, verstreut auf Europa.
Dieser Roman ist eine Familienaufzeichnung von Walja, der Enkeltochter Ninas, die vom harten Leben ihrer Groß- und Urgroßmutter erfährt, und die in Deutschland aufwächst und ihre Wurzeln in der Weite Russlands sucht.

Meine persönlichen Leseeindrücke
Einfach ist das Buch „Das Pferd im Brunnen“ nicht! Ab und an muss ich mich sortieren und anstrengen, damit ich die Buchfährte wiederfinde, die ich zwischendurch zu verlieren glaube. Das dauert ein paar Kapitel, bis ich verstehe, dass es sich hier nicht um einen klassischen Roman handelt, sondern vielmehr um literarische Bilder einer russischen Familie, die bunt zusammengewürfelt irgendwann ein Gesamtgebilde abgeben. Mit dieser Erkenntnis ändere ich mein Leseverhalten und schließe gedanklich jedes einzelne Kapital ab, bevor ich mich der neuen Geschichte widme. Jetzt passt es auch, dass die Handlungen keiner zeitlichen und räumlicher Logik folgen. So konfus anfänglich der Roman auch scheint, bei Nina laufen die verschiedenen Handlungsstränge zusammen und daran kann sich der Leser orientieren.
Tanja und Nina sind die großen Frauen dieses Romans, beide vom harten Schicksal wenig verschont, und auf deren Spur sich die in Deutschland aufgewachsene Walja macht. Es ist keine einfache Suche, die aber mit einer wunderbaren und einnehmenden Sprache sofort auf sich aufmerksam macht und die mich von den ersten Seiten an schon einfängt. Ich scheue deshalb nicht die Mühe, die Eigenartigkeit des Romans anzunehmen.
„Das Pferd im Brunnen“ ist aber nicht nur eine Familiengeschichte, sondern erlaubt auch einen Einblick in die russische Gesellschaft der letzten Jahrzehnte. Ganz nebenbei taucht man ein in die russische Realität, mit einer Intensität, die nur jemand erzählen kann, der sie tatsächlich erlebt hat.

Fazit
„Das Pferd im Brunnen“ ist die autobiographisch inspirierte Familiengeschichte der Autorin Valery Tscheplanowa. Der Roman mutet an wie eine Wortsymphonie in Moll, in dem jedes Kapitel einen Titel trägt und ein Puzzlestück eines großen Ganzen ist.