Köhlmeiers Fabulierlust

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Köhlmeier fabuliert gern mit etwas Augenzwinkern, auch in Hinsicht auf die Historie. Das darf man auch von diesem Buch erwarten. Gleich zu Beginn lässt der Autor uns wissen, dass er der Bitte der Architektin Anouk Perleman-Jacob, ihre Geschichte zu erzählen, eigentlich nicht nachkommen will - tut es aber doch. Eine sehr tragische Geschichte um russische Revolution, St. Petersburg, Bürgerkrieg aus der Sicht einer geistig munteren Hundertjährigen, die 1908 als Privilegierte geboren wurde. Sie hat im hohen Alter wieder mit Rauchen angefangen - es ist also keine makellose Heldin zu erwarten, kein zu Tränen rührendes Drama, aber, vielleicht gerade wegen der Brüche und einer gewissen satirischen Distanz, sehr berührend. Man muss sich einlassen auf diese Art des Erzählens und des Umgangs mit der Historie (wissend, dass Lenin tatsächlich nicht deportiert wurde). Der Buchtitel und das Cover könnten eine etwas andere Geschichte erwarten lassen, als die Leseprobe zeigt. Aber es ist ein Köhlmeier. Jedenfalls, ich bin gespannt.