Durchwachsener Geschichtstrip

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zeilenlang Avatar

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Was gibt’s zu sagen? Die Ereignisse, die sich im Kleinen abspielen, wenn die großen Ereignisse die Welt gerade neusortieren, bieten häufig eine wunderbare Ausgangslage für große Literatur. Mit dieser Erwartungshaltung habe ich dann auch Michael Köhlmeier´s neuesten Roman aufgeschlagen. Erwartet habe ich – was der Klappentext doch auch irgendwie versprach - , dass das Leben und die Deportation der alten Dame und der Auftritt Lenins auf einem der Legenden umrankten Philosophenschiffe als Roman erzählt wird. Michael Köhlmeier aber baut seinen Text dann so auf, dass ein fiktiver Schriftsteller in der ich-Form jeden Abend zu der alten Dame geht, sein Handy als Aufnahmegerät auf den Beistelltisch stellt und die Frau erzählen lässt. Ergebnis ist, dass das Buch aus seitenweisen Monologen besteht, in denen die Erzählende, dann auch immer wieder abschweift und sich in Nebensächlichkeiten verliert. Dazwischen dann noch Abschweifungen des Autors zu Geschehnissen eines Freundes aus der Studienzeit im Zusammenhang mit Linksextremismus in der BRD der 1970er Jahre. Das ganze weckt dann das Bedürfnis, dass Buch anzubrüllen: Komm doch mal zum Punkt! Aber genug dem Gemecker. An den Stellen, an denen es dann doch vorangeht und sich die Protogonisten auf die Handlung konzentrieren, wird mit Witz und Spannung ausdrucksstark erzählt. Warum denn nicht immer so?

Und das Cover? Das Cover gefällt äußert gut. Das einsame Schiff gefangen zwischen grauem Himmel und grauer See, ganz wie seine Passagiere. Es spiegelt den Klappentext wunderbar wider. Ach, wäre der Roman doch nur wie sein Cover. Es wäre ein großer Wurf geworden.