Es gibt nur eine Macht. Die Macht zu töten.

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dj79 Avatar

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Die Hundertjährige Architektin Anouk Perlemann-Jacob bittet einen wenig renommierten Schriftsteller ihr Leben in einem Roman zu verarbeiten. Die Geschichte beginnt, als Anouk auf Lenins Befehl hin mit einem Philosophenschiff ins Exil deportiert wird. Wenige Personen der sogenannten Intelligenzija sind mit ihr auf dem völlig überdimensionierten Schiff. Die Crew des Schiffes bleibt für die Passagiere verborgen. Sie haben nur einander, vermuten Spionage, die Stimmung ist von Misstrauen geprägt. Als das Schiff mehrere Tage auf offenem Meer hält, geht die Angst um.

Vor diesem Hintergrund spinnt Michael Köhlmeier eine Story aus historischen Fakten und frei erfundenen Lügen zusammen, die die Erinnerungen der gealterten Anouk Perlemann-Jacob darstellen sollen. Natürlich verändern sich Erinnerungen im Laufe der Zeit, Details gehen verloren, Lücken werden aufgefüllt. Doch in solch extravaganter Ausprägung wie hier sind mir Erinnerungen noch nie begegnet. Ehrlich gesagt hat mich damit der Autor auch ein Stück weit abgehängt, da ich nicht so recht ausmachen kann, was er seiner Leserschaft mit diesem Roman sagen will. Will er alternative Fakten anprangern? Will er auf sich wiederholende Geschichte aufmerksam machen? Vieles ist mir ein Rätsel geblieben. Themen werden angerissen, später nicht weiterverfolgt. Personen, die der Geschichte wenig dienen, nehmen in meiner Wahrnehmung viel Raum ein. Soll unsere Schnelllebigkeit und Oberflächlichkeit widergespiegelt werden oder die ausufernde Phrasendrescherei von Leuten, die eigentlich nichts zu sagen haben? Vielleicht alles davon vielleicht Nichts.

Dabei habe ich die Kapitel einzeln betrachtet, eigentlich ganz gern gelesen. Rein sprachlich hat mich der Roman schon abgeholt. Beeindruckt haben mich die Ausführungen, die Köhlmeier Lenin über Macht sprechen lässt, sowie Stalins Ausführungen über die leichtfertig aufgegebene Freiheit des Volkes, um selbst keine Verantwortung und kein schlechtes Gewissen haben zu müssen. Das gibt mir schon zu denken.

Insgesamt ist mir „Das Philosophenschiff“ allerdings zu zerfasert und über weite Strecken auch zu weit weg von historischer Glaubwürdigkeit. Zudem hätte ich mir ein Nachwort oder irgendeine Erklärung gewünscht, die mich nochmal aus anderer Richtung abholt. So bleibe ich nach der Lektüre etwas ratlos zurück.