Spannende Art zu monologisieren

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susireads Avatar

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Die Geschichte einer alten Dame, Anouk Perleman-Jacob, die sich einem Schriftsteller anvertraut, um ihre Lebensgeschichte - oder einen Teil - zu erzählen. Die Besonderheit dabei ist, dass der Schriftsteller ausgewählt wurde, weil man ihm nicht glaubt, wenn er die Wahrheit schreibt und man ihm glaubt, wenn er lügt/phantasiert. (Zitat S. 11 A. P.-J. “Gesagt werden soll es. Und wenn es keiner glaubt, umso besser. Aber erzählt werden soll es.”;”Was ist Wahrheit … Die Wahrheit ist die Erinnerung an sie.” S. 141)
Die Geschichte spielt in Österreich, Köhlmeier ist Österreicher und er ist gerne Österreicher (Zitat S. 92, Frau Perleman-Jacob “Schau, dass du in einem unwichtigen Land lebst, das in der Welt geliebt wird. Das treffe auf Österreich zu.”; Seite 128 “Österreich ist eine Hurerei. Der Haider war der lustigste Zuhälter.”). Die alte Dame erzählt ihre Geschichte als Monolog, das Buch besteht zu 80% aus dem Monolog der alten Dame, was es stellenweise etwas schwer macht, ihr zu folgen. Das Philosophenschiff ist dabei der Hauptteil, und alles dreht sich irgendwie um die Zeit auf dem Schiff. Es ist eines der Schiffe, die genutzt wurden von Lenin, die “geistige Elite” aus dem Land zu schaffen. Zusammen mit ihren Eltern und weiteren Intellektuellen wird die damals 14-Jährige aufs Schiff gebracht.

Die Reihenfolge der Erzählung schwankt vom Schiff auf früher und auf später und wieder zum Schiff. Das Gehüpfe macht es manchmal etwas schwer, zu folgen; aber auch die ganzen Namen sind manchmal verwirrend, wer ist wer, wer ist Freund, wer ist Feind, wer ist gut und wer ist böse …die erste richtige Wendung erfolgt circa in der Mitte des Buches, als ein besonderer Besuch auf dem Schiff auftaucht und mit ihm kommt auch ein frischer Wind ins Buch und ins Geschehen. Und danach erklärt sich einiges und löst sich auch vieles auf …
Es war mein erstes Buch von Michael Köhlmeier und ich fand seine Art zu schreiben sehr interessant und neu. Es ist bis zum Schluss interessant zu lesen, aber teilweise auch sehr schwer - ich musste Seiten zwei Mal lesen oder einfach abbrechen; Monologe sind immer schwer zu lesen … Es ist kein einfaches Buch, aber was eher der Geschichte geschuldet ist als dem Inhalt an sich …
Kaum fertig, habe ich mich an Wikipedia gewandt - Lenin, Philosophenschiffe … es lohnt sich nachzuschauen, eben etwas die andere Art von Geschichtsunterricht … und es lohnt sich definitiv, das Buch ein zweites Mal zu lesen.