Was lange währt, hört endlich auf.

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laberlili Avatar

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Wie man bei totaler Ahnungslosigkeit ein Cover gestaltet: unbedingt eine aufregende Catch Phrase gut sichtbar platzieren, wie z.B. „Du willst hier gar nicht mehr weg. Bis es zu spät ist.“ Völlig egal, dass die mit ihrem Lebensgefährten anreisende Protagonistin schon während der Anreise die abgelegene Lage des neuen Luxushotels verflucht, und der ganze Aufenthalt davon geprägt ist, dass man hofft, möglichst bald wieder von dort wegzukommen. Ganz zu schweigen von der als total unangenehm empfunden beschriebenen Atmosphäre des Hotels, in dem sich immer mal wieder Memorabilien in Form altertümlicher medizinischer Instrumente finden, die früher im Sanatorium Anwendung fanden und im Hotel nun als sehr eigentümliche Dekoobjekte herhalten – klar wer gibt nicht gerne ein paar Hundert Franken pro Hotelübernachtung aus, um am Frühstücksbüffet dann genau diejenigen Stahlspitzen zu bestaunen, die genau dort, wo jetzt der Brötchenkorb steht, ein paar Jahrzehnte zuvor Leuten zwecks Lobotomie ins Hirn gerammt wurden? Da dürfte Elin Warner, Hauptfigur und derzeit freigestellte britische Kriminalbeamtin, nicht die Einzige sein, die dem gegenüber ein gewisses Unbehagen verspürt.
Generell wird das Gebäude übrigens auch an nicht einer Stelle so beschrieben als dass es Ähnlichkeit mit dem auf dem Cover gezeigten Anwesen haben könnte, sondern merkwürdigerweise wie ein so lieb- und trostloser Kasten, dass ich mich teils schwertat, mir ein umgebautes Sanatorium vorzustellen anstelle eines abgerissenen Sanatoriums, das durch einen hässlichen Betonklotz ersetzt worden war.

Ich liebe Locked-In-Thriller gemeinhin, erst recht wenn sie eine Eingeschneit-Thematik beschreiben; und ich habe Reese Witherspoons Buchclub-Empfehlung tatsächlich im Vorfeld als echte Empfehlung verstanden, aber: „Das Sanatorium“ war für mich ein echter Reinfall.
Gleich am Anfang wird eine Figur verschleppt, was niemand mitbekommt, und zunächst einmal geht es nur darum, dass Elin aufgrund eigener Flashbacks ihren Bruder verdächtigt, in ihrer Kindheit ein als Unfall getarntes Verbrechen begangen zu haben, und dass nun irgendwie geklärt wissen will, aber mit ihrem Bruder reden will sie andererseits auch nicht. Kurz: Es passiert nichts. Schneesturm, Lawine, knapp 40 Leute konnten nicht rechtzeitig evakuiert werden und sitzen da nun gemeinsam fest, aber in „Das Sanatorium“ spielt nur eine Handvoll dieser Menschen eine Rolle. Der Rest tritt überhaupt nicht in Erscheinung, sondern sitzt ganz ruhig im Hintergrund und selbst als dann, nachdem der Roman schon fast halb rum ist, doch zumindest mal ein erstes Mordopfer entdeckt wird, findet nicht einmal ein „Die Anderen werden allmählich unruhig.“ Erwähnung.
Es bleibt nicht bei einem Opfer und ich habe noch nie einen Thriller gelesen, in dem es derart gleichgültig bis völlig abgebrüht aufgenommen wurde, dass da plötzlich mehrere „frische“ Mordopfer umherlagen.

Elin hat als britische Polizistin in der Schweiz natürlich gar keine Befugnis, aber nun ist sie halt als „Profi“ schon vor Ort und sonst kann ja grad keiner mehr dahinkommen. Profi in Anführungszeichen, denn Elins Überlegungen, ob sie überhaupt in den aktiven Dienst zurückkehren soll, sollten rational gesehen einfach nur zu einem „Gott bewahre! Bloß nicht!“ führen: sie ist die mieseste Ermittlerin, die ich je erlebt habe, und ich denke nicht, mich allzu weit aus dem Fenster zu lehnen, wenn ich behaupte jede*r Hobby-Detektiv*in könnte problemlos mit ihr konkurrieren.
Natürlich löst sie den Fall letztlich korrekt auf (allerdings wirklich auch erst als Zweite) – aber erst nachdem sie ihn bereits drei, oder waren es gar vier, Mal falsch gelöst hatte. Jedes noch so kleine Indiz führte sehr schnell zu: „Heureka, ich hab’s: XY war’s!“, ehe unmittelbar darauf deutlich wurde, dass XY es eben keinesfalls gewesen sein konnte.

Nach 60% des Romans, und ich kann mir ehrlich gesagt selbst nicht erklären, dass ich ihn bis dahin nicht längst abgebrochen hatte, nahm die Geschichte Fahrt auf und wurde überhaupt erstmal zum Thriller und Whodunnit; bis dahin war es meiner Meinung nach in erster Linie echt nur ein quälend undurchsichtiges Geschwisterdrama; da war ich tatsächlich gespannt, wie das alles aufgedröselt werden würde und wer der Bösewicht war - der ganz zum Schluss übrigens höchstpersönlich groß und breit ausführen musste, was er warum getan hatte und wie die ganzen Zusammenhänge waren, damit das überhaupt offensichtlich und verständlich wurde. Denn Elin hatte sich auch hier wieder rein auf Indizien verlassen und wusste eigentlich gar nichts außer dass dies nun ganz bestimmt (also vielleicht) der wahre Bösewicht sein müsste.
Kurz: sämtliche Ermittlungsarbeit war im Grunde genommen einfach nur ein Ins Blaue raten.

Der Epilog ließ nun darauf schließen, dass es noch weitere Bände rund um Elin Warner geben soll, aber für mich gilt auch da lediglich: „Gott bewahre! Bloß nicht!“