Märchenhaft schön...

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parden Avatar

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In der Wildnis Alaskas wagen Mabel und Jack einen Neuanfang. Beide sind schon jenseits der 40, und es ist unklar, ob sie den Herausforderungen von Land, Wetter und harter Arbeit noch gewachsen sein werden. Doch haben sie es in ihrer alten Heimat nicht länger ausgehalten - Mabel nach einer Totgeburt und unerfülltem Kinderwunsch auch Jahre später noch zutiefst traumatisiert und durch Verwandte und Kinderlärm immer wieder an ihren Verlust erinnert.
Die Hoffnung jedoch, dass Mabel und Jack in ihrer neuen Heimat wieder zueinander finden, erfüllt sich zunächst nicht - jeder taucht immer mehr in eine unermessliche Einsamkeit ein, niedergedrückt durch die harte Arbeit und die Zweifel, ob die kleine Farm sie ernähren wird.

Als im Winter die ersten Schneeflocken fallen, gibt Mabel einem plötzlichen Impuls nach und stellt sich mit ausgebreiteten Armen in den Hof, das Gesicht zum Himmel gereckt und lässt die Flocken auf ihre Zunge schneien. Jack bekommt in ihrem Übermut einen Schneeball ans Bein geworfen, und unerwartet vergnügen sich die beiden im Schnee.
Schließlich kommen sie auf die Idee, noch einen kleinen Schneemann zu bauen, aus dem schließlich ein Schneemädchen wird - mit Armen aus Birkenzweigen, einem Schal und Fäustlingen sowie einem hübschen, von Jack mit dem Messer geschnitzten Gesicht. Zum ersten Mal seit langem fühlen sich die beiden wirklich lebendig und spüren auch wieder ihre Liebe zueinander. Am nächsten Morgen jedoch ist das Schneemädchen verschwunden. Spuren führen von dort weg in den Wald, und kurze Zeit später huscht ein kleines Mädchen um den Hof...

Eowyn Ivey ist es gelungen, Elemente eines alten russischen Märchens - "Das Schneemädchen" - in eine Erzählung aus den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts zu verweben. Die Geschichte bringt dem Leser so einerseits die Realität der damaligen Zeit sehr bildhaft nahe, andererseits wirkt die gesamte Erzählung mysteriös und ahnungsvoll...
Dabei stimmt die Sprache mit dem Stil der 20er Jahr überein und macht das Erlebnis des Lesens um so stimmiger. Die Beschreibungen der Natur sind so bildgewaltig, dass sie beim Lesen förmlich vor den Augen erscheinen und Schnee und Kälte fast spürbar sind. Das Geheimnis um das kleine Mädchen, das mit dem Schnee kommt und mit dem Frühling verschwindet, ist dabei besonders schön. Es gibt verschiedene Erklärungen, woher das Kind stammen mag, das so zart und anmutig, dabei aber wild und unbändig ist. Ist es real oder doch der Liebe und der Welt der Magie entsprungen? Mit Mabel erinnert der Leser sich an das alte Märchen ihrer Kindheit und ahnt auch das Ende der Geschichte um Mabel, Jack und das kleine Mädchen.

Eine zarte, ruhige Erzählung, die einen tief eintauchen lässt in die Welt von Schnee, Eis und Magie. Märchenhaft schön...