düster und melancholisch

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simonef Avatar

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„Das Schweigen des Wassers“ spielt kurz nach der Wende in der Mecklenburgischen Provinz, im fiktiven Ort Wechtershagen. Kommissar Groth, gebürtiger Wechtershagener und kurz vor dem Mauerbau aus der DDR nach Hamburg geflohen, kehrt als Aufbauhelfer Ost zurück. Kurz nach seiner Ankunft kommt ein Mann unter ungeklärten Umständen zu Tode, und Groth findet sich in einem Fall wieder, der weit in die Vergangenheit zurückreichen und mit dem Mord an einem jungen Mädchen im Jahr 1981 im Zusammenhang stehen könnte.
Groth ist ein leiser, melancholischer Ermittler, der in seine alte Heimat zurückkehrt und doch ein Fremder bleibt. Er ist hin- und hergerissen zwischen Erinnerungen an seine Kindheit und Jugend und dem Blick dessen, der lange weg war und das ehemals Vertraute nun aus der Distanz wahrnimmt. Susanne Tägder verwendet viel Sorgfalt darauf, die Atmosphäre kurz nach der Wende auf vielfältige Weise greifbar zu machen. Im Kleinen zeigt sich das immer wieder in wie beiläufig eingeflochtenen Bemerkungen der sog. „kleinen Leute“, wie einem Wirt, Groths Sekretärin, seiner neugierigen Nachbarin oder der Putzkraft im Kommissariat. Auch politisches Taktieren um begehrte, neue Posten, wirtschaftliche Umbrüche und die Verfahren zur Prüfung auf etwaige Stasi-Vergangenheiten bei Staatsbediensteten werden thematisiert. Hierin liegt für mich die besondere Stärke des Romans. Der Kriminalfall selbst konnte mich nach einem starken Beginn letztlich nicht vollständig überzeugen. An einigen Stellen empfand ich die Geschichte gegen Ende als unrund und nicht ganz glaubwürdig, die Zeichnung mancher Figuren wirkt nicht geglückt (etwa das Mädchen Martina Borowski, deren Aussageverhalten sehr plötzlich wechselt). Auch fehlte es mir an Spannung, da für mich der Täter relativ schnell klar war und das Grundgerüst der Geschichte recht offensichtlich war.
Etwas unverständlich ist mir, warum das Interview mit der Autorin dem Roman vorangestellt und nicht im Anschluss abgedruckt wird, da die Autorin darin wesentliche Aspekte des Romans vorwegnimmt und in Teilen bereits das Ende verrät, was ich als sehr ärgerlich empfand.
Insgesamt ein interessanter Roman, der mehr durch seine atmosphärische Schilderung als durch eine spannende, bis ins kleinste Detail ausgearbeitete Krimihandlung besticht.