Ein Dorf, zwei Fälle und eine Ermittlerin im Alleingang

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xxholidayxx Avatar

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Ein verschwundenes Kind, zwei parallel laufende Ermittlungen und eine Ermittlerin mit außergewöhnlicher Intuition: In "Das Teufelshorn" von Anna Nicholas beginnt der erste Fall für Isabel Flores mit einem Paukenschlag – und einem Cortado im idyllischen Dorf Sant Martí auf Mallorca. Die Autorin, geboren 1961 in Kent, ist nicht nur ausgebildete Altphilologin, sondern arbeitete auch im PR-Team des Guinnessbuchs der Rekorde. Heute lebt sie als freie Autorin auf Mallorca – und genau dieses Lebensgefühl prägt auch ihren Krimi.

Worum geht’s genau?
Isabel Flores hat sich nach ihrer Polizeikarriere in das verschlafene Dorf Sant Martí zurückgezogen, wo sie das ruhige Leben genießt – bis ein kleines Mädchen vom Strand verschwindet. Hauptkommissar Tolo Cabot, ein alter Kollege, bittet sie um Hilfe. Doch das ist nur der Auftakt: Bald schon tauchen Hinweise auf einen zweiten Fall auf, der mit einem lange zurückliegenden Mordfall zu tun hat. Isabel beginnt, auf eigene Faust zu ermitteln, während die Guardia Civil eher wie Zuschauer agiert. Parallel dazu gerät auch ihr Privatleben in Bewegung – inklusive angedeuteter Romanze und kleinen Spannungen zwischen alten Freunden.

Meine Meinung
Ich habe das Buch als Hörbuch (Rezensionsexemplar) gehört – vielen Dank an NetGalley.de und Diogenes Hörbuch. Was mich gleich angesprochen hat, war das wunderschöne Cover, das direkt Urlaubsstimmung vermittelt. Leider blieb es für mich bei der optischen Begeisterung zunächst. Die Geschichte konnte mich lange nicht packen, und ich habe tatsächlich kurz darüber nachgedacht, abzubrechen.

Schon zu Beginn werden sehr viele Figuren eingeführt, sodass ich mich schnell überfordert gefühlt habe – gerade im Hörbuch fällt es mir schwer, den Überblick zu behalten, wenn Namen und Rollen nur akustisch präsentiert werden. Dazu kam, dass die Story meiner Meinung nach lange nicht ins Rollen kam. Zwei Fälle werden parallel behandelt, was grundsätzlich spannend sein könnte, aber leider wird einer der beiden recht schnell und oberflächlich abgehandelt.

Zudem hatte ich ein gewisses Unbehagen mit der Art, wie Isabel als ehemalige Polizistin praktisch im Alleingang ermittelt, während die offiziellen Behörden wenig präsent oder effektiv sind. Das wirkt nicht besonders glaubwürdig, zumal die polizeiliche Arbeit auch eher schlampig dargestellt wird – bestimmte Hinweise oder Spuren, die eigentlich offensichtlich wären, werden viel zu spät erkannt.

Auch die Auflösung eines Falls war für mich wenig überraschend – ich hatte von Beginn an eine Ahnung, die sich am Ende als richtig herausstellte. Dadurch fehlte der Nervenkitzel. Dennoch: Gegen Ende kam etwas Spannung auf, die Figuren sind mir mit der Zeit ans Herz gewachsen und es gab so etwas wie einen kleinen Showdown, der mich wieder ein Stück weit versöhnt hat.

Sehr positiv hervorheben möchte ich die Atmosphäre: Die mallorquinische Kulisse ist wunderbar eingefangen – das Licht, die Geräusche, die Menschen. Man fühlt sich mitten im Dorfleben, bekommt Lust auf einen Urlaub abseits der Touristenströme. Leicht irritiert hat mich allerdings die ständige Betonung des Alters von Figuren („der alte XY“, „die alte XY“) – das mag zur dörflichen Erzählweise gehören, aber es wirkte irgendwann redundant. Und auch mit der Sprecherin bin ich nicht ganz warm geworden, weil meiner Meinung nach die einzelnen Charaktere nicht wirklich gut unterschieden werden konnte anhand der Sprechweise. Das ist bei einem Hörbuch aber enorm wichtig.

Fazit
"Das Teufelshorn" ist ein solider, aber nicht überragender Einstieg in eine neue Krimireihe. Wer Lust auf mallorquinisches Flair und eine gemütlichere Ermittlerin hat, wird hier sicher auf seine Kosten kommen. Für mich war es eine durchwachsene Leseerfahrung mit Stärken in der Atmosphäre, aber Schwächen in Plot und Glaubwürdigkeit. Daher 3 von 5 Sternen.