Auf zu neuen Ufern

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ann-marie Avatar

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Der Hamburger Hafen wird oft als das "Tor zur Welt" bezeichnet – einfach, weil Waren aus der ganzen Welt dort ankommen und auch wieder in die ganze Welt verschickt werden. Damit auch Ausgangspunkt für Reisen in ferne Länder, oftmals verbunden mit einem Abschied von der vertrauten Heimat in Deutschland. Um der Härte des Alltags zu entfliehen oder auch nur, um noch einmal ganz neu anzufangen und sich geheime Ziele und Wünsche zu erfüllen.
Vor diesem Hintergrund schildert die Autorin die Schicksale von Ava und Claire, beide unterschiedlichen Gesellschaftsschichten angehörend und doch zu Freundinnen werdend. Ava, die von ihren bereits nach Amerika ausgewanderten Eltern in Deutschland zurückgelassen wurde und die Wartezeit bis auch zu ihrer beabsichtigten Auswanderung durch schwere und anstrengende Arbeit bei einer Familie im Alten Land, tätig als Moorbauern, überbrückt. Bald hat sie genügend Geld gespart, um endlich die Reise nach Amerika antreten zu können und nach ihren Eltern zu suchen.
Claire, die keine finanziellen Probleme kennt und in einem gut betuchten Elternhaus aufwächst, schlägt sich dagegen mit einem ganz anderen Problem herum: der Mann, den sie liebt, ist mit ihrer besten Freundin verheiratet – ein echtes Dilemma und schier unlösbar.
Beide Frauen lernen sich durch ihre Tätigkeiten in der "Auswandererstadt" Hamburg kennen und werden, trotz des Standesunterschieds, zu Freundinnen.
Geschildert werden die Ereignisse des Romans sowohl aus Sicht von Ava als auch aus der Sicht von Claire. Dabei findet die Vergangenheit episodenhaft eine ergänzende und aufklärende Berücksichtigung, wobei die geschickte Einbindung dieser Zeitabschnitte bzw. Ereignisse in das reale Romangeschehen zu keinen Brüchen führt und sich als sehr hilfreich erweist. Besonders hervorzuheben in dieser fiktiven Romanhandlung sind allerdings die Blicke hinter die Kulissen, und hier insbesondere auch die Skrupellosigkeit der Menschen, die sich auf den ersten Blick als hilfreiche und unterstützende Kenner des Auswanderergeschäfts darstellen und doch ganz anderes im Sinn haben, das umzusetzen mit erheblichen finanziellen Verlusten der Auswanderungswilligen verbunden ist. Diese Schilderungen berühren, da das ganze individuelle Drama nun mit Romanfiguren verknüpft wird und es wenig Phantasie bedarf, um dies auch als damalige übliche Realität zu begreifen.
Ein flüssiger und leichter Schreibstil, der zudem auf sehr viel Empathie und auch umfangreiche Hintergrundrecherchen schließen lässt, sorgen für ein angenehme, fesselnde aber auch teilweise sehr berührende Leseereignis. Den Charakteren wird eine Authentizität verliehen, die eine leichte und rasche Identifizierung erleichtert. Sie überzeugen – in ihrer Gefühlswelt, in ihren Gedanken, in ihren Aktionen, in ihrem Verhalten. Und dank des offenen Endes ist man schon sehr gespannt auf den zweiten Teil, der noch in diesem Jahr erscheinen wird.