Wunderbar atmosphärisch erzählt

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caillean79 Avatar

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Wie so viele andere war auch ich letztes Jahr von Miriam Georgs Elbleuchten/Elbstürme-Saga begeistert und so landete auch die neue Hamburg-Saga sofort auf der Wunsch- und Leseliste. Nun war es soweit - und ich war sofort wieder mittendrin statt nur dabei.

Miriam Georg hat einen wunderbaren, plastischen Schreibstil. Mit ihr kann ich ganz tief eintauchen in die Geschichten, ich kann förmlich die Schiffsfanfaren hören, befinde mich mitten im umtriebigen Gedränge des Gängeviertels, rieche das brackige Wasser der Fleete - kurzum, ich bin mittendrin in der Story und habe das Gefühl, die Protagonistinnen auf Schritt und Tritt zu begleiten und alles mit ihnen gemeinsam zu erleben.

Natürlich kommt ein solcher Schreibstil und eine solche Atmosphäre nicht mit 300 Seiten aus. Wer sich auf diese Romane einlässt, weiß, dass man über 600 Seiten vor sich hat. Aber die lesen sich eben auch weg wie nix und ich hatte nicht das Gefühl ein besonders dickes Buch gelesen zu haben, weil ich eben so gefangen genommen war von ihrer Art zu schreiben.

Dennoch kann ich mir vorstellen, dass schon allein die Dicke des Romans einige Leser abschrecken würde. Und diesmal glaube ich auch, es wäre insbesondere in der ersten Hälfte des Buches möglich gewesen etwas zu kürzen.

Denn erwartet hatte ich, das muss ich ehrlich gestehen, das Aufeinandertreffen der Protagonistinnen Ava und Claire schon viel früher im Buch, nicht erst nach der Hälfte. Bis zu diesem Punkt werden ganz ausführlich Avas Leben mit 14 Jahren auf einem Bauernhof im Alten Land und dann die missglückte Auswanderung ihrer Ziehfamilie im Jahr 1892 beschrieben, als Ava nach dem Choleratod von Vater und Schwester allein zurückblieb. Die Mutter machte sich allein auf den Weg nach Amerika und ließ Ava zurück.

Auch Claires Lebensumstände nehmen großen Raum ein. So wird einerseits ein rundum stimmiges Bild vom Leben der gut situierten jungen Frau vermittelt, andererseits denke ich, dass man hier die Handlung etwas hätte straffen können.

Am interessantesten ist die Handlung natürlich ab dem Zeitpunkt, als beide anfangen in der Auswandererstadt zu arbeiten und sich begegnen. Sie sind wie Feuer und Wasser, finden aber trotzdem zueinander und es entwickelt sich eine zarte Freundschaft zwischen den beiden - wie es beide Frauen aus unterschiedlichen Gründen in ihrem bisherigen Leben noch nicht erfahren haben. Doch dieser erste Teil der Saga - soviel sei schon verraten - endet nicht mit einem (Teil-)Happy End, sondern mit ordentlichen Cliffhangern mehrerer Handlungsstränge. Ich würde also Wetten abschließen, dass jeder, der den ersten Band gelesen hat auch unbedingt wissen möchte, wie es mit Ava und Claire weitergeht :)

Insgesamt hat mich auch diesmal wieder insbesondere die tolle Atmosphäre in den Bann gezogen, welche die Autorin hier erschaffen hat. Schon allein dafür gibt es eine unbedingte Leseempfehlung. Als kleines Manko empfand ich den Aufbau der Geschichte, bei dem noch Raum für Straffungen in der ersten Hälfte gewesen wäre und der insbesondere in der zweiten Hälfte sein Spannungspotential entfaltet. Trotzdem: auf jeden Fall lesen!