Eine außergewöhnliche Frau als Opfer von zwei diebischen Kollegen

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ingohmes Avatar

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Die Autorin Marie Benedict versteht es ganz ausgezeichnet, den wissenschaftlichen Hintergrund gut verständlich zu beschreiben. Vor diesem Hintergrund stellt sie eine sympathische Frau vor, die auf dem wissenschaftlichen Gebiet der kompliziert klingenden Röntgenstrukturanalyse bereits in jungen Jahren Hervorragendes geleistet hat, die eine akribisch genaue und unermüdlich arbeitende Forscherin, aber ebenso im privaten Umfeld eine modisch bewusste Frau, eine ausgezeichnete Gastgeberin und eine begeisterte Wanderin und Bergsteigerin war.
Rosalind Franklin ist so gut beschrieben, dass wir uns vorstellen, mit ihr zusammen durch die Straßen von Paris zu gehen, ihr beim Einstellen der Röntgenapparatur über die Schulter zu sehen, neben ihr gespannt auf die Ergebnisse zu warten und beglückt die entscheidende Aufnahme „Foto 51“ zu bestaunen.
Wir können uns in sie hineinversetzen, wenn sie beflügelt von der kollegialen Atmosphäre und den exzellenten Arbeitsbedingungen des Laboratoriums in Paris an eine zart aufkeimende Liebe glaubt, die so enttäuschend endet, dass sie nach London zurückkehrt. In die Stadt, der sie voller Hoffnung den Rücken gekehrt hatte, um der Arroganz ihrer britischen Kollegen, dem Unverständnis, warum eine Frau eine wissenschaftliche Karriere einschlagen wollen sollte und der Enge des britischen Klassensystems zu entkommen.
Nun leiden wir mit ihr über die Herablassung ihrer Kollegen Watson und Crick, über das Herumschnüffeln Watsons in ihrem Labor und dem wissenschaftlichen Diebstahl der Ergebnisse, an denen sie das Urheberrecht hatte und das von Watson und Crick als ihre eigene Entdeckung publik gemacht wurde. Hier bleibt ihre Gestalt allerdings ein bisschen blass, auch wenn ihre britische Upper-Class-Erziehung sie sicher nicht zu Wutausbrüchen verleitet hat, ist ihre ladyhafte Zurückhaltung etwas unglaubwürdig.
Noch einmal beginnt sie von vorne, diesmal unter miserablen Arbeitsbedingungen und wieder gelingt es ihr mit größter Disziplin, herausragende Forschungsergebnisse zu erzielen.
Sie wird nie erfahren, dass ihre diebischen Kollegen die höchste wissenschaftliche Anerkennung erhalten werden, der lasche Umgang mit Sicherheitsvorkehrungen führt zu ihrem frühen Tod.

Rosalind Franklin ist eine außergewöhnliche, eine bewundernswerte Frau und ich habe mich sehr gefreut, sie und ihr Leben kennenzulernen, denn nach wie vor wird ihre herausragende Forschungsarbeit, die zur Entdeckung der Struktur des Moleküls, das unsere Erbinformationen enthält, nicht in entsprechender Form gewürdigt.
Dem Buchcover allerdings kann ich nichts abgewinnen, die Trennlinie zwischen dem blauen und dem gelben Teil soll möglicherweise an eine Helix erinnern, verzerrt aber nur das Bild der Frau und ist zumindest damit sicher ganz im Sinne Watsons.